Wissenschaftsjahr 2007 - 28.02. - 06.03.2007

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28.02. - 06.03.2007

Einige Skepsis ist aus den Urteilen über die neu gegründete Zeitschrift für Ideengeschichte herauszuhören. Mit ungeteilter Begeisterung wurde dagegen der Start des Europäischen Forschungsrats aufgenommen, der unbürokratische Exzellenzförderung verspricht. Wolf Lepenies plädiert in der Welt für das Miteinander von Geisteswissenschaften und Technik. Nichts als Spott gab es für die angebliche Entdeckung des Familiengrabs Jesu. Viel – aber nicht durchweg freundlich - besprochen wurde eine Weimarer Tagung zum Thema "Was war Bielefeld?"

Themen der Woche

Zeitschriftengründung: Zeitschrift für Ideengeschichte

In Weimar wurde die neue Zeitschrift für Ideengeschichte vorgestellt. Für die FR hat sich Claudia Schmölders die Zeitschrift angesehen und die Vorstellung angehört. So ganz ist sie von Sinn und Zweck der Sache noch nicht überzeugt: "Aber geht es hier wirklich um eine Zeitschrift - oder eher um eine offiziöse Vierteljahresschrift? Sinn einer Zeitschrift ist doch die Neuigkeit, im Klatsch ebenso wie in Wissenschaft und Politik. Mit vielen Zeitschriften assoziieren wir mutige Eingriffe, persönliche Selbstopfer oder mindestens Orientierungen - man denke an die Fackel von Karl Kraus oder, nach 1945, an den Merkur oder das Kursbuch. Rückt die z-i-g, wie sie im Internet heißt, womöglich in die Leerstelle ein, die das Kursbuch gelassen hat? Vielleicht auf Umwegen."

In der taz kommentiert Alexander Cammann: "Wirkmächtige Ideen sind existenzielle Angelegenheiten, bei denen es allzu oft um Leben und Tod geht. Davon hätte man in diesem durchweg anregenden Heft gerne mehr gespürt."

Auch Ingeborg Harms hat sich in ihrer FAZ-Kolumne "Blick in deutsche Zeitschriften" die neue Zeitschrift für Ideengeschichte vorgenommen. Recht ausführlich referiert sie einen Aufsatz des Philosophen Andreas Urs Sommer, in dem dieser über "Coolness" nachdenkt. Der Weg führt von der Stoa zu Humphrey Bogart: "Sommers Rückblick zeigt, dass Coolness in der Antike von eifriger Reflexionstätigkeit nicht zu trennen war. Gerade sie spricht der Autor dem modernen Coolen ab."

FAZ, 5.3.2007

Europäischer Forschungsrat nimmt Arbeit auf

In der letzten Woche hat der Europäische Forschungsrat die Arbeit aufgenommen. Sein Ziel ist die unbürokratische, großzügige Förderung exzellenter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus ganz Europa – ohne politische oder sonstige Rücksichtnahmen. Im Interview mit dem Tagesspiegel erklärt der Generalsekretär des Forschungsrats, Ernst-Ludwig Winnacker, unter anderem, wie sich die Gelder auf die Wissenschaften verteilen werden: "Eigentlich haben wir keinen Verteilungsschlüssel. Aber intern haben wir festgelegt, dass 15 Prozent der Mittel in die Geistes- und Sozialwissenschaften fließen, 45 Prozent in die Natur- und Ingenieurwissenschaften und 40 Prozent in die Lebenswissenschaften und die Medizin. Das sind Mittelwerte aus Förderorganisationen. Der Wert für die Geisteswissenschaften schwankt zwischen zehn und 20 Prozent, da haben wir uns für 15 entschieden. Doch wir sind flexibel. Wenn viele und gute Anträge eingehen, werden es mehr werden."

In der FAZ kommentiert Christian Schwägerl die Gründung: "Hinter dem Kürzel ERC für European Research Council verbirgt sich eine der aufregendsten Neuerungen in der Wissenschaftspolitik - und der Europapolitik - seit langer Zeit: Über diesen Rat dürfen nun Wissenschaftler eigenständig Mittel der Europäischen Union an exzellente Wissenschaftler vergeben."
FAZ, 28.2.2007

Weitere Themen

Geisteswissenschaften in Zeiten des Web 2.0

Ein flammendes Plädoyer für das Miteinander von Geisteswissenschaften und Technik hält der Soziologe Wolf Lepenies in der Welt. So hält er die Abschaffung der Geisteswissenschaften an der Berliner Technischen Universität für das ganz falsche Signal: "An Technischen Universitäten und in einer Wissenschaftskultur, die von den 'Sciences' dominiert wird, finden sich die 'Humanities', die Geisteswissenschaften, in der Fremde. Wie ein Blick in die Vergangenheit zeigt, bietet ihnen aber gerade die Existenz in einem unvertrauten Milieu besondere Chancen."

Archäologen spotten: "Familiengrab Jesu" nicht Fakt, sondern Fiktion

Mit viel Getöse wurde in New York eine vermeintliche Sensation enthüllt. Archäologen behaupten, das Familiengrab Jesu gefunden zu haben. Star-Regisseur James Cameron ("Titanic") hat das Ganze sogar in einen Dokumentarfilm verpackt. Tobias Hürters und Peter Lampes Kommentar in der Zeit bringt die Reaktionen der seriösen Wissenschaft auf den Punkt: "Wo sind wir gelandet? Im neuen Roman von Dan Brown? Nicht ganz, aber fast. Willkommen in der Hybridwelt zwischen Bibelforschung und Showbusiness."
Michael Zick berichtet im Tagesspiegel, Peter Lampe in der SZ.
In der NZZ kommentiert der Theologe Wolfgang Stegemann – und sieht mit Bangen schon einer möglichen Verfilmung der apokryphen Evangelien entgegen.

SZ, 2.3.2007

Ian Kershaw zu Flucht und Vertreibung

Die FR hat sich anlässlich des großen Fernsehzweiteilers "Die Flucht" mit dem Historiker Ian Kershaw unterhalten, der mahnt: "Zu befürchten ist, dass Deutschland nicht länger als Land der Täter, sondern der Opfer erscheinen soll." 

Biografie Julius Fromm

Für viel Aufsehen sorgt die Biografie des jüdischen Kondom-Herstellers Julius Fromm. Die Autoren Götz Aly und Michael Sontheimer präsentieren bei Spiegel Online eine Kurzfassung des Buches und bei perlentaucher.de finden Sie eine Leseprobe.

Erinnerung an Hans Mayer

Der Suhrkamp-Verlag hat in Berlin eine Gedenkveranstaltung für den Literaturwissenschaftler Hans Mayer ausgerichtet, der am 19. März seinen 100. Geburtstag feiern würde. Es erinnerten sich unter anderem die Autoren Christa Wolf und Christoph Hein. In der FAZ berichtet Wolfgang Schneider. Für die FR war Harry Nutt zugegen.

FAZ, 28.2.2007

Nazis in der Gruppe 47

In der taz berichtet Sabine Pamperrien von neuen Funden, die belegen, wie groß der Einfluss einstiger Nationalsozialisten in der Gruppe 47 war – eine Bestätigung der Thesen, die der Literaturwissenschaftlers Klaus Briegleb in seiner Streitschrift "Missachtung und Tabu" vorbrachte.

Diskussion um frühen Islam

In der FAZ antwortet der Islamwissenschaftler Stefan Heidemann auf die Thesen des Religionswissenschaftlers Karl-Heinz Ohlig, der den frühen Islam als "Spielart" des Christentums beschrieben hat. Heidemann verwahrt sich gegen den Vorwurf der Rückständigkeit der Islamwissenschaft: "Die historisch-kritische Methode wird in der Islamwissenschaft längst angewandt, man muss ihre Ergebnisse nur wahrnehmen. Die Hilfskonstruktionen eines 'christlichen' frühen Islam und einer verdunkelnden Verschwörung der Abbasiden führt in die Irre. Worin liegt das Missverständnis der Revisionisten um Ohlig und Puin? Sie unterstellen dem Islam der Frühzeit einen ähnlichen Charakter wie dem Christentum, nämlich die scharfe Distinktion gegenüber den Ungläubigen und Häretikern."

FAZ, 28.2.2007

Streit in der arabischen Welt

François Zabbal, Chefredakteur der vom Pariser Institut du Monde Arabe herausgegebenen Kulturzeitschrift Qantara, schreibt in der NZZ über Schwierigkeiten in der arabischen Welt, eine Haltung zum Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten zu finden.

Konferenzen, Tagungen

In der NZZ berichtet Joachim Güntner von einer Weimarer Tagung zum unkonventionellen Thema "Was war Bielefeld?" Die Antwort: Bielefeld war eine von einer SPD-Regierung gegründete Elite-Uni, die einen Denkstil verkörperte, für den Namen wie Hans-Ulrich Wehler, Reinhart Koselleck und Niklas Luhmann stehen. Diesen Denkstil beschrieb der Soziologe Clemens Albrecht in einem Vortrag folgendermaßen: "Es ist ein Verfahren, am Ende immer mit den Gegebenheiten Frieden zu schließen. Man tut dies ungeachtet aller Probleme im Einzelnen, weil angeblich das große Ganze - die technische Zivilisation, die Arbeitsteilung, die Individualisierung in der Moderne - keine andere Wahl lässt. Man glaubt, Realist zu sein, passt aber, so Albrecht, seine Ideen in Wahrheit gar nicht an die Realität an, sondern an 'Begriffsmonstren', welche man über die Wirklichkeit gestülpt hat."

Kritisch fällt Jürgen Kaubes Bericht in der FAZ aus: "Welche Mühe, welche Sorgfalt, welche begriffliche Arbeit war nicht in die Werke eingegangen, über die hier geredet wurde! (...) In Weimar hingegen wurden ebendiese Autoren zum Gegenstand von Vorträgen, die sich nicht sehr viel Mühe mit ihrem Werk gaben."
In der taz berichtet Alexander Cammann.

FAZ, 28.2.2007

Über den Berliner Kongress "Going Global. Die Universitäten vor neuen nationalen und internationalen Herausforderungen" informieren der Tagesspiegel und die Berliner Zeitung.

In seiner Sendung Studiozeit berichtet der Deutschlandfunk von einer Essener Tagung zum Thema "Freiheit und Verantwortung. Neue Rahmenbedingungen gesellschaftlichen Handelns".

Hildegard Wiegel hat für die FAZ eine Konferenz in Rom zum Thema Ruinenkult besucht: "Der römische Archäologe Marcello Barbanera zeichnete mit charmanter Italianità für die Veranstaltung verantwortlich, zu der er Nachwuchs- und etablierte Wissenschaftler geisteswissenschaftlicher Disziplinen eingeladen hatte. Der universelle Anspruch: 'Relitti - riletti - reread wreckage' ('Relikte - Wiedergelesenes - Lese die Trümmer, aber auch das Scheitern wieder'). Um Transformationen der Ruinen und kulturelle Identität sollte es gehen."

FAZ, 5.3.3007

Besprochene Bücher

In der NZZ rezensiert der Theologe Ekkehard W. Stegemann die Paulus-Lektüre des Philosophen Giorgio Agamben mit dem Titel "Die Zeit, die bleibt". Glücklich wurde er damit nicht: "Hier wird denn doch ein Manko dieses Buches sichtbar, das der Rezensent auszusprechen sich überwinden muss, nämlich die gänzliche Unvertrautheit des Autors mit neueren historisch-kritischen und bibelwissenschaftlichen Diskursen."

In der NZZ bespricht Ahlrich Meyer Band II der großen Gesamtdarstellung "Das Dritte Reich" des Historikers Richard J. Evans. Er zeigt sich wenig überzeugt von der Notwendigkeit des ambitionierten Projekts: "Es handelt sich um eine immense Fleißarbeit, die trotz einer klugen Gliederung des Stoffes nicht ohne Redundanzen auskommt und die, auf der Basis der einschlägigen Forschungsliteratur zusammengestellt, kaum etwas Neues zu bieten hat."


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