Wissenschaftsjahr 2007 - 14.03. - 20.03.2007

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14.03. - 20.03.2007

Der 100. Geburtstag des Literaturwissenschaftlers Hans Mayer war vielen Zeitungen einen Erinnerungsartikel wert – auch zwei Neuerscheinungen zu Mayer wurden besprochen. Die NZZ nimmt einen gewaltigen Band aus dem Nachlass Hans Blumenbergs zum Anlass für einen Schwerpunkt zum 1996 verstorbenen Philosophen. Gleich zweimal war der Stalinismus Thema: Die Historiker Jörg Baberowski und Anselm Doering-Manteuffel versichern im Interview mit der FAZ, dass man Nationalsozialismus und Stalinismus sehr wohl vergleichen müsse. Bogdan Musial deckt, ebenfalls in der FAZ, die stalinistische Vergangenheit des einflussreichen Denkers Zygmunt Bauman auf.

Im Blickpunkt

Zum 100. Geburtstag des Literaturwissenschaftlers Hans Mayer

Die Feuilletons gedenken zum 100. Geburtstag des im Jahr 2001 verstorbenen Literaturwissenschaftlers Hans Mayer, der erst in der DDR lehrte und dort wie auch nach seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik im Jahr 1963 wichtige Studien zur deutschen Literatur veröffentlichte – sein Band "Außenseiter" aus dem Jahr 1975 gilt vielen als Hauptwerk.In einem Porträt in der Berliner Zeitung rühmt der emeritierte Philosoph Gerd Irrlitz die Werke des Literaturwissenschaftlers: "Reich an Kenntnissen sind diese Bücher und genussvoll zu lesen. Alles eindringlich Lehrhafte bleibt ihnen fern."In der NZZ erinnert Manfred Koch an den einschüchternden Menschen Hans Meyer: "Hans Mayer konnte Furcht um sich verbreiten, als Universitätslehrer wie als Diskutant oder Interviewpartner."Im selben Artikel wird auch der von Mark Lehmstedt herausgegebene Band "Der Fall Mayer" besprochen, der dokumentiert, in welchem Umfang Mayer von der Stasi bespitzelt wurde. In ihrer Rezension des Buches in der FR stellt Ina Hartwig fest: "Für die DDR war der eitle und brillante Literaturprofessor der Leipziger Universität also ganz klar ein Außenseiter: als Homosexueller, als Jude wohl auch, vor allem aber als Bourgeois, der die Anpassung nach unten nicht mitmachte."Neu erschienen ist auch ein Band mit Briefen aus den Jahren 1948 bis 1963. Dieser spielt in Gustav Seibts umfangreichem Artikel in der SZ ebenso eine Rolle wie die Stasi-Dokumentation. Seibt resümiert: "Hans Mayer, der Marxist, ist ein wichtiger Zeuge des 20. Jahrhunderts; als Denker der menschlichen Diversität kann er auch im 21. Jahrhundert noch fortleben.In der FAZ vom 19.3.2007 bespricht Gerhard Schulz den Briefband.

  • SZ, 19.3.2007
  • FAZ, 19.3.2007

Reichhaltiger Nachlass: Der Philosoph Hans Blumenberg

Einen Schwerpunkt widmet die NZZ dem 1996 verstorbenen Philosophen Hans Blumenberg. Anlass ist das Erscheinen eines gewichtigen Bandes zur Phänomenologie und Anthropologie mit dem Titel "Beschreibung des Menschen", den Manfred Sommer aus dem Nachlass des Philosophen herausgegeben hat. Uwe Justus Wenzel warnt vor dem ersten Teil, bei dem es sich lediglich um "Fingerübungen" handelt, empfiehlt aber den zweiten, in dem Blumenberg seine Anthropologie entwirft: " In verschiedenen Anläufen und Variationen spielt Blumenberg durch, was ihm als markantestes Merkmal der Menschwerdung gilt: die 'actio per distans', das Agieren auf Distanz. Auf der Urszene, im Übergang vom Urwald zur Savanne, erscheint der Mensch - oder doch sein Vorgänger - als Wesen, das sich aufrichtet, um einen Stein gegen den stets drohenden Angreifer zu schleudern."
Helmut Meyer hat sich den im Marbacher Literaturarchiv lagernden, sehr umfangreichen Nachlass Blumenbergs angesehen und erklärt auch, was es mit der posthumen Produktivität des Philosophen auf sich hat: "Mit den zuletzt erschienenen Bänden ist allerdings ein Terrain erreicht, auf dem Blumenbergs Kompositionspläne ihre klaren Konturen zunehmend verlieren. Mit ihnen betritt man Blumenbergs Textwerkstatt der thematischen Streuungen, der Anordnungen und Umordnungen, der Arbeit mit Konstellationen von Texten."
Als drittes Stück des Schwerpunkts wird eine Skizze Blumenbergs über den Schriftsteller Ernst Jünger abgedruckt.

NZZ, 17.3.2007

Themen der Woche

Historiker vergleichen Nationalsozialismus und Stalinismus

In der FAZ stellen die Historiker Jörg Baberowski und Anselm Doering-Manteuffel, die gerade das Buch "Ordnung durch Terror" veröffentlicht haben, fest, dass sich Nationalsozialismus und Stalinismus sehr wohl vergleichen lassen:
"Im Historikerstreit wurde gar nicht verglichen. Was daran lag, dass die Deutschland-Historiker von der osteuropäischen Geschichte, speziell von der Sowjetunion, keinen blassen Schimmer hatten. In der Tat hat sich nach der Öffnung der Archive und nach der Rückkehr Osteuropas in den europäischen Erinnerungsraum etwas geändert. Jetzt wird klarer, dass beide Regime auch ganz ähnliche Herausforderungen mit ähnlichen Gewaltmechanismen hatten. Das haben wir bezeichnet mit dem Begriff des Strebens nach Ordnung, nach Eindeutigkeit. Beide Regime haben ähnliche Techniken des Mordens eingesetzt, um die selbstgeschaffenen Probleme zu überwinden. Insofern kann aus dem Vergleich eine neue Einsicht gewonnen werden."

Zygmunt Baumans stalinistische Vergangenheit

Der Historiker Bogdan Musial – bekannt geworden als scharfer Kritiker der Wehrmachtsausstellung – deckt in der FAZ die von diesem angeblich verschwiegene stalinistische Vergangenheit des Soziologen und Philosophen Zygmunt Bauman auf: "Tatsache ist, dass sich Bauman mehr als zwanzig Jahre lang für das kommunistische Gewaltregime in Polen stark engagierte, echte und vermeintliche Gegner des Stalinismus mit der Waffe in der Hand bekämpfte und sie verleumdete."

FAZ, 20.3.2007

Historiker ignorieren das "(Homo-)Sexuelle"

Nach dem Besuch einer Hamburger Ausstellung über Homosexuelle im Dritten Reich und danach richtet Jan Feddersen in der taz Vorwürfe gegen die etablierte Geschichtswissenschaft: "Das (Homo-)Sexuelle historisch zu erforschen war hierzulande bislang noch nie karriereförderlich - ob es sich nun um das Münchner Institut für Zeitgeschichte handelt oder die Bielefelder Historiker um Hans-Ulrich Wehler."

Institut für Altertumswissenschaft gerettet

Der Tagesspiegel meldet, dass das Auswärtige Amt das Deutsche Evangelische Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes (DEI) in Jerusalem und Amman in die Regelförderung aufgenommen – und so vor der Schließung bewahrt hat.

Ausstellung zu Christian Gottlob Heyne

Für die FAZ hat Bettina Erche eine Göttinger Ausstellung besucht, die Christian Gottlob Heyne und der Entstehung der Klassischen Archäologie gewidmet ist – und sich auf Heynes "Daktyliotheken", d.h. Abdrucksammlungen, konzentriert.

FAZ, 20.3.2007

Deutsche Jugendsprache verändert sich

In der SZ referiert Marcus C. Schulte von Drach sprachwissenschaftliche Erkenntnisse über den Einfluss des Türkischen, Arabischen und Russischen auf die deutsche Jugendsprache. Revolutionäre Veränderungen des Deutschen seien freilich nicht zu erwarten: "Dazu kommt, dass manche Jugendliche, die ihre Freunde etwa mit dem arabischen 'Yalla' begrüßen, Erwachsenen immer noch einen 'Guten Tag' wünschen. Sie wenden ihre multiethnische Jugendsprache nur bei ihresgleichen an und können je nach Kontext souverän in normales Umgangsdeutsch oder offizielles Hochdeutsch umschalten. Die meisten Veränderungen betreffen sowieso Bereiche, die sich in der Umgangssprache immer schon stark verändert haben."
SZ, 20.3.2007

Vom Sammeln in der Kunst

In der SZ stellt Andreas Strobl einen in der Zeitschrift kritische berichte erschienenen Artikel über das Sammeln und die Künstlerin Annette Messager vor: "Für die Kunstwissenschaft ist die Geschichte des Kunstsammelns seit einigen Jahrzehnten zu einem intensiv bearbeiteten Forschungsfeld geworden, denn mit der Rekonstruktion der Sammlungsgeschichte legitimiert sich so eine zunehmend autonome Kunst als wichtiger Teil der Kulturgeschichte, dem sich das gesamte, facettenreiche Heft der kritischen berichte widmet."

SZ, 17.3.2007

Bücher und Rezensionen

Sehr positiv fällt das Urteil von Caspar Hirschi in der FAZ über einen Band zur Geschichte der Zensur in der Aufklärung aus: "Herausgeber Wilhelm Haefs und York-Gothart Mix verknüpfen Stränge französischer, angelsächsischer und deutscher Zensurtheorien für eine umfassende Betrachtung der erst bruchstückhaft erforschten Zensurgeschichte des Alten Reichs. Der thematische Aufbau des Bandes ist das Resultat eines geglückten Spagats: Um eine trennscharfe Terminologie bemüht, plädieren die Herausgeber für einen engen, auf juristische Kriterien gestützten Zensurbegriff; gleichzeitig stecken sie einen inhaltlichen Rahmen ab, in dem auch Anhänger eines weiten Zensurbegriffs ihren Platz finden."
FAZ, 14.3.2007

In der SZ bespricht Christopher Schmidt Günter Rühles "Monumentalwerk" zum "Theater in Deutschland 1887-1945" und prophezeit, dass es in Zukunft unverzichtbar sein wird: "Ehrfurcht gebietend ist allein der wissenschaftliche Anhang. Zeittafel, Glossar und Tausende von Fußnoten empfehlen diese 1,5 Kilo gewichtige und wichtige Theatergeschichte als Standardwerk, das in jeden theaterwissenschaftlichen Handapparat gehört."
SZ, 20.3.2007

Als beeindruckende Pionierarbeit lobt Ulrich Noller bei der Deutschen Welle eine umfassende Bibliografie zur deutschen Kriminalliteratur, die Mirko Schädel erstellt hat. Der Autor habe dabei Spannungsromane aus Deutschland entdeckt, "die die Literaturwissenschaft bislang schlicht und einfach übersehen hat. Die weit verbreitete Annahme, die deutschsprachige Kriminalliteratur existiere erst seit gut 50 Jahren, hat sich damit als falsch erwiesen."

Tagungen

Wenig Europäisches bei Konferenz zur europäischen Oper

Als Etikettenschwindel empfand Martin Lhotzky in der FAZ eine Wiener Tagung über die Oper als "europäisches" Phänomen. Von einer europäischen oder überhaupt einer neuen Perspektive konnte seiner Meinung nach kaum die Rede sein: "In der großen Mehrzahl referierten die Vortragenden elegant den Stand einer Forschung, die seit etwa zwanzig Jahren Neues nur mehr in kleinen Schritten hervorzubringen scheint."

FAZ, 16.3.2007

Zur Überlieferungsbildung der Achtundsechziger

In Stuttgart waren Archivare und Historiker versammelt, um über die Überlieferungsbildung der Achtundsechziger zu diskutieren. Erstaunt stellte man, wie Martin Otto in der FAZ berichtet, fest, dass der Zeitgeist weht, wo er will: "1969 war in der damals ausgerechnet in Stuttgart erscheinenden Jugendzeitschrift 'Micky Maus' von einem 'Verbandsideologen' und dem 'Aneignen der Produktionsmittel' die Rede. Etzemüller hatte eine Erklärung dafür: Eine Folge von 1968 sei gewesen, dass marxistische Begriffe auch von Nicht-Achtundsechzigern übernommen worden seien, weil ihnen für bestimmte Zusammenhänge das Vokabular gefehlt habe."

FAZ, 14.3.2007

Verkehr und Mobilität

In der NZZ gibt es einen Bericht von Cord Aschenbrenner zu einer Berliner Konferenz über Verkehr und Mobilität, bei der Referenten wie Karl Schlögel – der "Spiritus Rector" der Veranstaltung - und Dirk van Laak vor allem die historische Perspektive betonten.

Geschichts- und Kulturmuseen

Am Deutschen Historischen Museum fand eine Tagung zum Thema Geschichts- und Kulturmuseen statt, bei der allerdings die Differenzen zwischen europäischen und außereuropäischen Nationalmuseen, wie Andrea Mix in der Berliner Zeitung meint, etwas kurz kamen: Dass die Geschichtsmuseen Australiens oder Kanadas "ganz andere Funktionen und Probleme haben als die europäischen Nationalmuseen, ging bei den Powerpoint-Präsentationen der stolzen Museumsmacher unter."


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