Zum Wissenschaftsjahr 2018
Artensterben im Meer übertraf das Aussterben von Mammut und Co

Artensterben im Meer übertraf das Aussterben von Mammut und Co

Rund ein Drittel der marinen Megafauna verschwand

Im Pliozän verschwanden viele Haie, Wale, Meeresvögel und -schildkröten

Während der Eiszeit starben der Säbelzahntiger und das Mammut aus. Was damals an Land geschah, gehört heute zum Allgemeinwissen. Was aber passierte vor etwa zwei Millionen Jahren in den Weltmeeren?

Hier gab es offenbar ein Artensterben bisher ungeahnten Ausmaßes. Haie, Wale, Meeresvögel und -schildkröten verschwanden in großer Zahl. Das belegen Untersuchungen von Forschenden der Universität Zürich und des Naturkundemuseums Berlin.

Das Team untersuchte Fossilien der marinen Megafauna aus dem Pliozän (5,3 bis 2,6 Millionen v. Chr.) und dem Pleistozän (2,6 Millionen bis rund 9.700 Jahre v. Chr.). „Wir konnten aufzeigen, dass etwa ein Drittel der marinen Megafauna vor rund drei bis zwei Millionen Jahren verschwand. Aufgrund dieses Ereignisses erben wir heute eine marine Megafauna, deren Vielfalt sich im Laufe der Erdgeschichte bereits reduziert und verändert hat“, erklärt Dr. Catalina Pimiento. Sie hat die Studie am Paläontologischen Institut und Museum der Universität Zürich durchgeführt. Der Studie zufolge büßten Meeressäuger im Pliozän etwas mehr als die Hälfte ihrer Vielfalt ein. Meeresschildkröten verloren etwas weniger als die Hälfte ihrer Gattungen, die Meeresvögel ungefähr ein Drittel und Haie fast ein Zehntel.

Im nachfolgenden Pleistozän entwickelte sich dann neues Leben: Rund ein Viertel der Tiergattungen – etwa der Eisbär Ursus, die Sturmschwalbe Oceanodroma oder der Pinguin Megadyptes – gab es im Pliozän noch nicht. Der große Verlust an Vielfalt konnte aber durch die Zugewinne nicht kompensiert werden.

Die Folgen des Aussterbens lassen sich mit diesen Zahlen allein nicht bewerten. Das Forscherteam untersuchte deshalb auch die Auswirkungen des Wegfalls ganzer Artengruppen auf das Ökosystem. Sie sortierten die Gruppen anhand solcher Prozesse wie Konkurrenz, Räuber-Beute-Beziehungen, Parasitismus oder Symbiosen und Ressourcennutzung. Die Ergebnisse der Studie, die jüngst in „Nature Ecology & Evolution“ veröffentlicht wurde, lautet: Allein im Schelfmeer gingen im Pliozän 7 Artengruppen verloren. Dieser Verlust klingt bescheiden, entfaltete jedoch innerhalb des Ökosystems Durchschlagskraft. Es verschwanden daraufhin 17 Prozent der gesamten Vielfalt ökologischer Funktionen, 21 Prozent veränderten sich. Die Forscherinnen und Forscher fanden zudem heraus, dass sich gleichzeitig der Lebensraum in den Küstengebieten aufgrund stark schwankender Meereshöhen deutlich reduzierte.

Als Gründe für das Artensterben in den Ozeanen führen die Forscherinnen und Forscher den Verlust der Küstenlebensräume zusammen mit veränderten Meeresströmungen an. Dabei hätte es besonders Warmblüter mit hohem Energiebedarf getroffen. „Die Studie zeigt, dass die marine Megafauna weit anfälliger für globale Umweltveränderungen in der jüngsten geologischen Vergangenheit war als bisher angenommen“, erläutert Pimiento und weist auf eine aktuelle Parallele hin: Auch heute sind große marine Arten wie Wale oder Robben sehr anfällig für menschliche Einflüsse auf das Ökosystem.

29.06.2017

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