Wie lässt sich dem Fachkräftemangel in therapeutischen Berufen entgegenwirken?

Der Fachkräftemangel bei den therapeutischen Berufen ist noch größer als bisher angenommen. Die Bundesagentur für Arbeit hatte Ende 2017 angegeben, dass offene Stellen für Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten rund 150 Tage unbesetzt bleiben.Nun kommt eine neue Studie zu dem Ergebnis, dass die Zahl für alle Therapieberufe im Schnitt sogar bei 250 Tagen liegt: gute Jobchancen also für Fachkräfte.

„Es ist davon auszugehen, dass viele Arbeitgeber freie Stellen für therapeutisches Fachpersonal nicht bei der Agentur für Arbeit melden“, sagte Sabine Hammer, Dekanin des Masterstudiengangs Therapiewissenschaften an der Hochschule Fresenius in Idstein. Sie ist die verantwortliche Leiterin der Studie uns sagt: „Für die Therapeutinnen und Therapeuten selbst hat das insgesamt positive Konsequenzen: Die Jobaussichten für angehendes therapeutisches Fachpersonal sind beispielsweise sehr gut.“

Der Fachkräftemangel spiegelt sich auch in den Wartezeiten der Patientinnen und Patienten wider: Sie müssen im Schnitt 30 Tage auf einen Behandlungsplatz warten – in der Spitze sogar 50 Tage. Abhilfe schaffen könnten mehr Geld und mehr Eigenverantwortung:

Die Bezahlung hat sich seit neuen gesetzlichen Regelungen im April 2017 zwar bei den angestellten Therapeutinnen und Therapeuten der Studie zufolge im Durchschnitt um drei bis dreieinhalb Prozent verbessert, bei den Selbstständigen und Praxisinhabenden sogar um vier bis fünf Prozent. Bezahlt macht sich auf jeden Fall ein akademischer Abschluss: Damit verdient eine Fachkraft durchschnittlich brutto rund 250 Euro mehr im Monat als ihre examinierten Kolleginnen und Kollegen. Die Diskrepanz zum durchschnittlichen Bruttomonatslohn aller Berufstätigen in Deutschland bleibt jedoch groß. Mit der Bezahlung sind die meisten der Befragten darum unzufrieden: „Insofern verwundert es nicht, dass 85 Prozent der Therapeutinnen und Therapeuten an der so genannten beruflichen Gratifikationskrise leiden – das heißt, für sie stehen Einsatz und Belohnung in einem Ungleichgewicht“, erklärt Professorin Hammer.

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Eine mögliche Lösung könnte neben der Akademisierung ein eigenständigeres Arbeiten sein. Das traut sich ein Großteil der Befragten auch zu: Nur knapp ein Drittel hält eine ärztliche Diagnostik vor dem Therapiebeginn für unbedingt notwendig. Gut 90 Prozent fühlen sich in der Lage, Therapiebeginn, -art und -umfang selbst zu bestimmen und mit einer so genannten Blankoverordnung zu arbeiten, die derzeit als Modell getestet wird. Dass eine Blankoverordnung tatsächlich in großem Rahmen eingeführt wird, erwarten aber lediglich 40 Prozent.

IAn der Studie „Ab in die Zukunft“ hatten sich rund 1800 Therapeutinnen und Therapeuten beteiligt, die Hälfte aus der Physiotherapie, ein Viertel aus der Ergotherapie, ein Fünftel aus der Logopädie und fünf Prozent aus der Podologie.

02.10.2018