Vom Milk-Run zum Bringdienst – Hybride Teams in der wandelbaren Produktion

Ein Expertenbeitrag von Dr. Anselm Blocher, Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz
Der Milchjunge stand Pate für das produktionslogistische Konzept des Milk-Run: Damit nicht zu viel Milch geliefert wurde, die dann verdarb, stellte der Junge nur dann eine volle Flasche bereit, wenn er eine leere vorfand. Übertragen auf die industrielle Fertigung erlaubt dieser Entwurf die Steuerung des Materialflusses in der Produktion. Dies geht jedoch einher mit einem fixen Fahrplan und festen Losgrößen. Das Konzept des Bringdienstes hingegen ermöglicht die bedarfsgerechte Bestellung und Lieferung von Bauteilen in der jeweiligen konkreten Fertigungssituation.

Zusammen mit seinen Partnern erforscht und erprobt das DFKI in mehreren vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekten Komponenten, die das Zusammenspiel von Menschen, Maschinen und Diensten in hybriden Teams auf der Basis vorhandener und neu gelernter Fähigkeiten flexibel ermöglichen.

Dr. Anselm Blocher studierte Informatik an der Universität des Saarlandes und promovierte dort zum Thema „Ressourcenadaptierende Raumbeschreibung“. Seit 1999 arbeitet er am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). Als Leitender Wissenschaftler koordiniert er Forschungsverbundprojekte aus Industrie und Wissenschaft; des Weiteren ist er für das DFKI für das Zentrum für innovative Produktionstechnologien - Power4Production" zuständig.

Im Rahmen des Verbundprojektes BaSys 4.0 hat das DFKI eine kontrollierbare dienstebasierte Infrastruktur aufgebaut, die die notwendige Dynamik von Industrie 4.0-Produktionssystemen kosten- und zeiteffektiv umsetzt und geleitet ist durch die produktionsspezifischen Fragen:

•    WARUM soll WAS geschehen?
•    WIE und WO soll es passieren?
•    WER soll es tun?

Umgesetzt wird dies über einen ganzheitlichen, produktionstauglichen Plug&Produce-Prozess und die Ausnutzung orchestrierter Einzelfähigkeiten. Der entstehende Produktivitätsvorteil wird automatisch durch eine permanente Produktionsoptimierung erreicht: Dieses autonome System entdeckt und realisiert kontinuierlich eine dynamische Produktionsschrittverfeinerung (WIE, WO, WER).

Grundprinzipien sind dabei die funktionale Abstraktion und Modularisierung von Anforderungen und Fähigkeiten. Verfeinerungen und Festlegungen auf der jeweiligen Produktionsebene erfolgen immer nur soweit wie notwendig, um maximalen Spielraum für dynamische Anpassungen und Optimierungen zu erhalten.

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Das Verbundprojekt Hybr-iT erforscht die hybride und intelligente Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK). Der Fokus liegt dabei auf hybriden Teams in wandlungsfähigen, cyber-physischen Produktionsumgebungen. Der Einsatz heterogener, mobiler und stationärer Roboter zur soziotechnischen Produktionsunterstützung demonstriert die Verwendung der BaSys 4.0-Diensteplattform für die MRK-Integration am Beispiel eines dynamischen Milk-Run mit mobilen und stationären Fertigungsstationen sowie sozialer Arbeitsplatzgestaltung.

Die Programmierung komplexer Abläufe erfolgt dabei durch funktionale Abstraktion konkreter Geräte und einfache Komposition auf Prozessebene. Dies erlaubt eine geregelte, kontrollierbare Unterbrechbarkeit autonomer Prozesse durch menschliche Intervention. Außerdem wird ein kontrollierter Übergang von virtueller zu realer Inbetriebnahme einer Produktionskomponente ermöglicht.

Ein Forschungsdemonstrator veranschaulicht diese und weitere zentrale Aspekte hybrider Teams wie die kollegiale Interaktion zwischen Mensch und Roboter, die multimodale Mensch-Roboter-Kommunikation (per Sprachein- und -ausgabe sowie mittels Smartwatches), die sensorunterstützte flexible Interaktion zwischen Robotern sowie Sicherheitsaspekte (Safety) mobiler Co-Bots.

So kann im Kontext des Bringdienstes der robotische Lieferant zusätzlich auch damit beauftragt werden, z.B. ein Getränk oder einen Snack mitzubringen und so zu einem positiven Arbeitsumfeld des Werkers beitragen.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2018 - Arbeitswelten der Zukunft.