Möglichkeiten der Mensch-Maschine-Ära

Ein Expertenbeitrag von Christian Schuldt, Zukunftsinstitut
Noch bis vor wenigen Jahren galt Künstliche Intelligenz (KI) als wissenschaftliche Spezialdisziplin und Science-Fiction-Stoff. Heute ist die Technologie längst fester Bestandteil des Alltags, sei es in Handys oder smarten Lautsprechern, bei maschinellen Übersetzungen oder Vorhersagen aller Art. Durch die zunehmende Vernetzung wird der Umgang mit KI immer alltäglicher – und unser Alltag immer technologiegetriebener.

Christian Schuldt arbeitet für das Zukunftsinstitut als Studienleiter, Autor und Speaker. In seinen Publikationen beleuchtet er den Kultur- und Medienwandel der vernetzten Gesellschaft. Kürzlich erschien die Trendstudie „Künstliche Intelligenz – Wie wir KI als Zukunftstechnologie produktiv nutzen können“, die Schuldt leitete.




Auch wenn sich dieser Prozess – noch – eher schleichend vollzieht, so steht fest: KI ist eine Schlüsseltechnologie der kommenden Jahre und Jahrzehnte. Und: KI schlägt ein völlig neues Kapitel in der gesellschaftlichen Evolution auf. Denn erstmals in der Geschichte der Menschheit ändert sich die Beziehung zwischen Mensch und Maschine: Selbstlernende Systeme sind immer weniger ein Werkzeug im herkömmlichen Sinne, sondern entwickeln eigenständige Entscheidungen.

Gerade weil KI so eine mächtige Technologie ist, gilt es umso mehr, sie klug und reflektiert einzusetzen, um die Wirtschaft und Gesellschaft von morgen konstruktiv zu gestalten. Deshalb ist die Zeit jetzt reif für eine neue, aufgeklärte und pragmatische Perspektive auf KI: für ein klares Verständnis dessen, was KI tatsächlich ist und kann – und für einen konstruktiven und zukunftsoffenen Blick auf ihre Gestaltungspotenziale. Die Leitfragen lauten: Wie wollen wir künftig Arbeit, Wirtschaft und Zusammenleben organisieren? Wie können wir KI als Zukunftstechnologie produktiv dafür nutzen?

Hier kann eine KI-Ethik, die auf Datenschutz, Nachhaltigkeit und humanistische Werte setzt, zum echten Wettbewerbsvorteil für den KI-Standort Europa werden. Im globalen Kontext eröffnet ein ethischer Zuschnitt große Chancen in Abgrenzung zu den Strategien der KI-Giganten USA und China – als ein „dritter Weg“, der den Einsatz von KI weder unter- noch überreguliert, sondern auf Datenschutz, Nachhaltigkeit und humanistische Werte fokussiert.

Immer wichtiger wird dabei auch die Frage, wie wir künftig mit intelligenten Maschinen zusammenleben und -arbeiten werden, wie ein kooperatives Miteinander von Mensch und Maschine aussehen kann. KI wird die menschliche Intelligenz nicht ersetzen – aber sie kann sie komplementär und kreativ erweitern, etwa indem Maschinen uns unterstützen, aber der Mensch final entscheidet.

Dieser Shift hin zu diesen Mensch-plus-Maschine-Umwelten eröffnet eine neue Ära der Sinnarbeit, einen neuen Humanismus. Denn mit zunehmender Automatisierung steigt auch die Bedeutung all der genuin menschlichen Fähigkeiten, über die Maschinen bis auf weiteres nicht verfügen, von Intuition und Kreativität bis zum Umgang mit Unsicherheit.

Die nächste Gesellschaft wird eine „kognifizierte“ Gesellschaft sein, eine Welt, in der kognitive Technologie zum Gebrauchsgegenstand wird. Um diese Gesellschaft mitzugestalten, müssen wir uns heute fragen: Auf Basis welcher Werte wollen wir KI nutzen? Richtig angewandt kann KI uns helfen, unsere Welt menschlicher, nachhaltiger und gerechter zu gestalten. Die DNA dieser nächsten Mensch-Maschine-Ära wird heute geschrieben.

 

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2019 – Künstliche Intelligenz.

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