KI-Einsatz ist eine Frage des Vertrauens

Ein Expertenbeitrag von Professor Dr. Helmut Krcmar, Technische Universität München und MÜNCHNER KREIS

„Können wir der KI vertrauen?“ Diese Frage stellte mir kürzlich ein Unternehmer am Rande einer Veranstaltung. Meine Antwort: „Der KI können wir genauso vertrauen wie dem letzten Einhorn. Denn ‚die‘ KI gibt es nicht“. Der Unternehmer, der sich intensiv vorbereitet und die Veranstaltung interessiert verfolgt hatte, schüttelte ungeduldig den Kopf. „Was macht es schon für einen Unterschied, ob wir von KI oder „der“ KI sprechen?“, fragte er.

Prof. Dr. Krcmar (*1954) ist Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik an der Fakultät für Informatik der Technischen Universität München (TUM) und Vorstandsmitglied sowie Vorsitzender des Forschungsausschusses im MÜNCHNER KREIS e.V. Er forscht auf dem Gebiet der Digitalen Transformation, des Informations- und Wissensmanagements, der plattformbasierten Ökosysteme, des Managements IT-basierter Dienstleistungen, des E-Governments und der Computerunterstützung für die Kooperation.

„Die“ KI gibt es nicht

Tatsächlich macht es einen großen Unterschied, ob wir über KI oder „die“ KI reden. Denn „die“ KI als allwissende, je nach Ausprägung humanoide oder geradezu übermenschliche Instanz gibt es zwar heute (noch?) nicht, doch allein die Vorstellung davon macht Menschen Angst. Diese Angst verstellt den Blick dafür, was Künstliche Intelligenz heute ist: ein breites Portfolio unterschiedlicher kognitiver Techniken, von der Text- und Bilderkennung bis hin zum autonomen Fahren. Die Differenzierung leuchtete meinem Gesprächspartner ein, doch natürlich argumentierte er: „Können wir nun KI vertrauen? Ich lege mich ja auch nicht im Urlaub in eine Hängematte, wenn ich dem Dübel nicht vertraue, mit dem sie in der Wand befestigt ist.“

Die Kontrolle bleibt bei den Menschen

Maschinen mit KI entlasten Menschen vor allem von gleichförmigen, häufig wiederkehrenden Aufgaben. Dazu gehört beispielsweise das Übertragen von Daten und Informationen aus einem IT-System in ein anderes. Software-Roboter entscheiden dabei mehr oder weniger eigenständig, wie sie mit einem Dokument, einer Datei oder auch einem einzelnen Datensatz verfahren. Allerdings nicht beliebig, sondern nach Regeln. Wo das Entscheiden anhand der Regeln nicht möglich ist, beispielsweise weil dem System wesentliche Informationen fehlen, kann der Mensch als entscheidende Instanz gefragt werden. Zwar können manche KI-Anwendungen durch Maschinelles Lernen ihre Fähigkeiten erweitern, doch auch dabei folgen sie Regeln und Vorgaben. Der Lernerfolg hängt von deren Gestaltung und den verwendeten Daten ab. Wer eine Human Resources Software zur Bewerberauswahl für Top-Positionen allein auf Bestandsdaten bisheriger Unternehmensvorstände trainiert, wird das Potenzial weiblicher Kandidatinnen auch in Zukunft dramatisch falsch einschätzen.

Überzogene Erwartungen unterminieren Vertrauen

Ausschlaggebend für das Vertrauen in Künstliche Intelligenz ist nicht die Technologie selbst. Entscheidend ist, was wir daraus machen. Das Periodensystem der KI nach Hammond, das der Branchenverband Bitkom für den deutschen Markt aufbereitet hat, vermittelt ein Bewusstsein dafür, wie verschiedene KI-Komponenten sinnvolle Lösungen ergeben. Inwieweit wir den Lösungen vertrauen können, dass sie unsere Erwartungen an sie erfüllen, liegt zum einen an unseren Erwartungen. Und die sind in Bezug auf KI leider oft völlig überzogen. Beispielsweise sind KI-Anwendungen heute eher für klar umgrenzte Einsatzszenarien geeignet. Autonomes Fahren in unterschiedlichsten Umgebungen ist damit auf kurze Frist kaum realisierbar. Unter den besser kontrollierbaren Bedingungen einer Produktionshalle jedoch können Transportfahrzeuge heute schon autonom fahren. Zum anderen kommt es darauf an, die Eignung jeder einzelnen KI-Anwendung für den gewünschten Zweck genau zu prüfen. So, wie wir das bei der Auswahl von Dübeln zum Befestigen einer Hängematte auch tun.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2019 – Künstliche Intelligenz.

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