KI und Nachhaltigkeit: ein Traumpaar?

Ein Expertenbeitrag von Dr. Ralph Hintemann, Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit Anwendungen der Künstlichen Intelligenz (KI) haben das Potenzial, einen enormen Einfluss auf die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung zu nehmen. Es gibt enorme Chancen für neue Geschäftsideen, Unternehmensgründungen und wirtschaftliches Wachstum. Gleichzeitig stellen sich aber auch in vielen Bereichen ganz neue Herausforderungen und Fragen: Wird sich das Wachstum auf wenige große „Datenkraken“ konzentrieren oder können mittelständische Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten? Gelingt es, einen freien Zugang zu Daten und KI-Infrastrukturen für alle Nutzenden zu schaffen oder liegt deren Kontrolle in der Hand von wenigen Global Playern? Wie kann der Umgang mit privaten Daten geregelt werden? Wie kann KI zu mehr Nachhaltigkeit führen? Gerade die letzte Frage ist angesichts der globalen Umweltprobleme von zentraler Bedeutung.

Dr. rer. pol. Ralph Hintemann ist Gesellschafter und Senior Researcher am Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit. Sein besonderes wissenschaftliches Interesse gilt den Nachhaltigkeitspotenzialen der Digitalisierung. Er studierte Maschinenbau und Wirtschaftswissenschaften an der RWTH Aachen und war dort wissenschaftlicher Mitarbeiter mit den Schwerpunkten Innovations- und Umweltforschung. 2000 promovierte er am Institut für Wirtschaftswissenschaften der RWTH Aachen. Anschließend arbeitete er auf verschiedenen technologischen Gebieten, zuletzt als Bereichsleiter IT-Infrastruktur & Digital Office.

KI-Anwendungen für mehr Nachhaltigkeit

Das Verhältnis zwischen KI und Nachhaltigkeit ist sehr ambivalent. Technikoptimisten sehen enorme Chancen, mit neuen Anwendungen einen Beitrag zu den nationalen und internationalen Umweltherausforderungen leisten zu können. KI kann helfen, komplexe Systeme wie das Klima und die verschiedenen Ökosysteme besser zu verstehen. Gerade innovative Start-ups bringen vielfach ganz neue Ideen für nachhaltige Lösungen auf Basis von KI ein. Anwendungen im Bereich der Mobilität, der Energie und der Landwirtschaft haben das Potenzial, die Umweltbelastungen enorm zu senken. So könnten autonom fahrende Autos den Verkehr deutlich reduzieren: Fahrzeuge können gemeinsam genutzt und die Systeme des öffentlichen Nahverkehrs unterstützt werden. Weniger Individualverkehr macht Innenstädte lebenswerter und schützt zugleich das Klima.

Umweltschutz ist kein Automatismus

Das Beispiel autonomes Fahren zeigt aber auch eine Herausforderung: Wie kann sichergestellt werden, dass autonome Fahrzeuge nicht am Ende mehr Verkehr bedeuten? Mit autonomen Fahrzeugen können auch Personen ohne Führerschein am motorisierten Individualverkehr teilnehmen. Eine autonome Fahrt im Auto von Haustür zu Haustür ist attraktiver, als mit öffentlichen Verkehrsmitteln mehrfach umsteigen zu müssen. Nur wenn das neue Verkehrssystem mit autonomen Fahrzeugen nachhaltig ausgestaltet und von entsprechenden lenkenden Maßnahmen begleitet wird, ist wirklich mit einer Umweltentlastung zu rechnen.

Ähnliche Beispiele finden sich in fast allen KI-Anwendungsgebieten. KI lässt wirtschaftliches Wachstum erwarten. Gerade deshalb ist es alles andere als selbstverständlich, dass KI automatisch zu mehr Nachhaltigkeit führt.

KI benötigt selbst Energie und Ressourcen

KI-Anwendungen wie Deep Learning, Simulationen und Prognosen haben teilweise enorme Anforderungen an Rechenleistungen. Daher benötigen sie große Mengen an Energie und Ressourcen. Wie Forscherinnen und Forscher der University of Massachusetts ermittelt haben, kann das Training einer einzelnen KI-Anwendung zur Spracherkennung fünfmal so viel CO2 erzeugen wie ein Auto während seiner gesamten Lebensdauer. KI-Anwendungen sind ein wesentlicher Treiber dafür, dass immer mehr Rechenleistung benötigt wird und der Energiebedarf der Rechenzentren ansteigt. Prognosen gehen davon aus, dass sich der Energiebedarf der Rechenzentren weltweit in den nächsten zehn Jahren extrem erhöhen wird und im Jahr 2030 bis zu 8 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs ausmachen kann.

Was ist zu tun?

Wie die Ausführungen zeigen, ist es keineswegs selbstverständlich, dass KI zu deutlich mehr Nachhaltigkeit führt. Es braucht geeignete Rahmenbedingungen, damit die Nachhaltigkeitspotenziale der KI genutzt werden. Nachhaltigkeit muss zum Mainstreaming im Bereich KI werden. Bei der Initiierung und dem Management von KI-Projekten und auch bei allen politischen Maßnahmen zur Förderung von KI muss die Nachhaltigkeit ein zentraler Bestandteil sein.

Wichtig ist auch, dass die Daten und KI-Systeme nicht von wenigen globalen Playern kontrolliert werden. KI-Infrastrukturen müssen so aufgebaut werden, dass sie selbst keinen hohen Energie- und Ressourcenbedarf verursachen.

 

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2019 – Künstliche Intelligenz.

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