Sprachverarbeitende Computer – so schlau und doch so dumm

Ein Expertenbeitrag von Dr. Aljoscha Burchardt, DFKI, Speech and Language Technology Lab

Das DFKI beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit dem Thema KI, ich selber seit gut 20 Jahren mit dem Spezialgebiet Computerlinguistik, bzw. Sprachtechnologie und die breite Öffentlichkeit hat vielleicht vor zwei Jahren zum ersten Mal von KI gehört. Im Wissenschaftsjahr habe ich – verstärkt durch meine Arbeit in der Enquete-Kommission „KI“ des Deutschen Bundestages – mit vielen unterschiedlichen Menschen über dieses Thema können, welches noch immer unglaublich polarisiert. Deutlich gemerkt habe ich das als Teilnehmer von zwei Podiumsdiskussionen im Rahmen des Internationalen Literaturfestivals Berlin. Bei der ersten Diskussion ging es um Einsatz von KI bei der Erstellung fiktionaler Texte und beim zweiten um die maschinelle Übersetzung fiktionaler Texte.

Da man sich in der Sprachtechnologie weitgehend mit nicht-fiktionalen Texten beschäftigt, etwa mit der Übersetzung von Gebrauchsanweisungen oder dem automatischen Auswerten von Kundenrezensionen, habe ich als Technologieexperte auf beiden Panels interessanter Weise eher den Part des Skeptikers eingenommen, während die Autoren und Verleger sich teilweise euphorisch die zukünftige Unterstützung durch KI ausmalten. Nach der Diskussion zur maschinellen Übersetzung meldete sich eine Frau aus dem Publikum, die sich als Übersetzerin vorstellte und genau diese Tatsache als sehr beruhigend empfunden hatte, dass der „Techniker“ eher von den Grenzen der Technologie sprach – wohlgemerkt bei fiktionalen Texten.

Dr. Aljoscha Burchardt

ist stellvertretender Standortsprecher des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI GmbH) in Berlin. Er ist Experte für Sprachtechnologie und Künstliche Intelligenz. Burchardt ist Research Fellow des Weizenbaum-Institutes für die vernetzte Gesellschaft und Stellvertretender Vorsitzender der Berliner Wissenschaftlichen Gesellschaft. Außerdem ist er als Sachverständiger Mitglied der Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz” des Deutschen Bundestages.

Jetzt mag man sich fragen, warum denn die Technologie, die sich bei Gebrauchstexten offensichtlich schon sehr schlau anstellt, bei fiktionalen Texten an ihre Grenzen kommen soll. Dafür muss man erst einmal die Unterscheidung von starker und schwacher KI in den Blick nehmen. Starke KI wäre menschenähnlich, könnte einmal Gelerntes von einem Gebiet auf ein anderes Übertragen, könnte sich eigene Ziele setzen, hätte ein Bewusstsein und würde – wenn man Hollywood glauben darf – fast zwangsläufig auf Killer-Roboter hinauslaufen, die den Menschen als Problem des Planeten erkennen würden und vernichten. Ich schreibe im Konjunktiv, da es starke KI nicht gibt und vorerst auch nicht geben wird. Sie ist Science Fiction. Wenn wir den Teil „Fiction“ einmal wegnehmen, dann reden wir über schwache KI, d.h. Einzelsysteme, die mit bestimmten Daten für bestimmte Aufgaben entwickelt („trainiert“) wurden, z. B. zum Übersetzen von Gebrauchsanweisungen, zum Labeln von Bildern oder zum Empfehlen von Modeartikeln.

Im Ausgangszustand sind die Systeme leer, man könnte sagen „dumm“. Die Krux liegt darin, deren Aufgabe geschickt zu bestimmen und die passenden Daten zu finden oder zu erzeugen. Die Systeme erkennen dann Muster in den Daten und können so vergangene Handlungen von Menschen auf neue Situationen anpassen. Je ähnlicher die neuen Daten den Trainingsdaten sind, um so besser. Hat ein System aus menschlich präparierten Daten gelernt, Tiere auf Bildern zu benennen, dann funktioniert es nicht mit Pflanzen, kann ein System Bedienungsanleitungen übersetzen, dann funktioniert es nicht gut für Rechtstexte.

Weil die Systeme kein externes Wissen über die Welt haben, kein Bild von ihrer Leserin und keine Empathie, sind sie bei fiktionalen Inhalten nur sehr bedingt einsetzbar, in denen ja unter Einsatz von Kreativität Neues geschöpft wird, wie z.B. eine neue Metapher. Ich kann mir viele Unterstützende Anwendungen vorstellen wie automatisierte Reimstudien, Recherchehilfe, Teilübersetzung. Banale Dialoge in Seifenopern werden heute schon automatisch erzeugt. Aber die „Wunderkiste KI“, die demnächst anspruchsvolle Romane schreibt und übersetzt, würde ich eher als Romaninhalt sehen.

 

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2019 – Künstliche Intelligenz.​

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