Wird eine KI jemals so hingebungsvoll scheitern können, wie ein Mensch?

Ein Expertenbeitrag von Willi Kubica, Filmschaffender
Bei Veranstaltungen und Podiumsdiskussionen rund um das Thema KI werde ich als Filmemacher oft gefragt, warum Künstliche Intelligenz in Filmen zumeist in ein negatives Licht gerückt und sogar als Bedrohung stilisiert wird, zumal wir Kreativen” uns doch fachlich überhaupt nicht mit dem Stand der Forschung auskennen, geschweige denn diese wirklich verstehen würden. Ein Austauschstudent trug es einmal sogar als Vorwurf an mich heran: wir schüren mit unseren Dramatisierungen nur unnötig Angst und Misstrauen gegenüber der Zukunft. Er hat angeführt, dass der Mensch ja die Kontrolle über die Technologie hat und sie in seinem Sinne einsetzt. We are always in charge of it.”, sagte er milde lächelnd, wie um mich zu beruhigen. Ob man das auch zu einem Arbeiter gesagt hat, kurz bevor er sich seine Hand an einer Maschine der industriellen Revolution verletzen wird? Und wer ist eigentlich we“? Und wer entscheidet überhaupt, was im Sinne des Menschen ist? Sein optimistisches Statement hat bei mir also genau das Gegenteil hervorgerufen: noch mehr Fragen, Zweifel, Ahnungen... und genau hier liegt die Antwort auf die Eingangsfrage: Warum kommt KI in Filmen oft schlecht weg?

Willi Kubica ist Drehbuchautor und Regisseur. Seine Filme zeichnen sich durch kontroverse und radikale Prämissen aus. Insbesondere der Film „Die Galerie der vergessenen Berufe“ diente bereits bei zahlreichen Filmfestivals, Wirtschaftstagungen und Seminaren als kontrovers diskutierter Beitrag über das Potential Künstlicher Intelligenz.

Filmemacher denken nicht lösungsorientiert, sie denken konfliktorientiert. Sie denken in Hürden, Widerständen, Unsicherheiten, Ängsten, Problemen, Grenzen. Denn all das sind die Zutaten für eine gute und mitreißende Geschichte. Wir sind an Menschen interessiert, die scheitern, die Fehler machen, die versagen und gerade daran wachsen. Nichts ist langweiliger als der perfekte Mensch. Perfektion interessiert uns nicht. Einfache und effiziente Lösungen, perfekte Entscheidungen interessieren uns nicht - daraus lassen sich nämlich keine Serien-Staffeln und abendfüllende Spielfilme basteln.

Achten Sie mal darauf, wenn Sie einen Film aus der heutigen Zeit anschauen: hilft ein Smartphone oder eine App den Figuren? Schließlich nutzen wir doch ständig die kleinen Helfer, um uns Probleme zu ersparen. Aber in Filmen wird dies verhältnismäßig selten in dieser Einfachheit gezeigt. Ganz im Gegenteil: es wird eher die Dysfunktionalität betont. Smartphones gehen zum dramaturgisch perfekten Zeitpunkt kaputt oder wie oft haben wir schon die immer ähnliche Szene gesehen, in der festgestellt wird, dass es “hier einfach keinen Empfang” gibt? Denn mit einem Anruf, oder einer schnellen Internetrecherche wäre das Problem sofort behoben und der Film wohl an dieser Stelle vorbei. Ein Symptom für unsere Berufskrankheit: die “Konfliktsucht”. Ein Film über eine perfekt funktionierende, friedliche und freundliche KI wäre konfliktfrei und somit schlicht und ergreifend langweilig.

Ein weiterer wichtiger Punkt, um das spezielle Verhältnis von Kreativschaffenden und KI zu verstehen, findet sich in dem Sinn und Zweck von Künstlicher Intelligenz. Sie soll dabei helfen die Fehlbarkeit und die Schwächen der Menschen zu überwinden. So handelt es sich automatisch nicht nur um eine Künstliche Intelligenz, sondern auch um eine Entmenschlichte. Sehr zugespitzt lässt es sich so formulieren: es ist die unbestimmte Angst davor, dass KI das Feld brach legt, welches wir bewirtschaften. Wenn alles glatt läuft, wenn alles optimiert ist, wenn alle Probleme rechtzeitig erkannt werden und wir keine Fehler mehr machen, dann geht auch die Dynamik, das Auf- und Ab, das Unerwartete, das Störrische schleichend verloren.

Bei kritischen und sicher auch bisweilen „überdramatisierten” Filmbeiträgen im Bereich der KI geht es nicht um blinde Fortschrittsverweigerung oder Panikmache, sondern es ist einfach unsere Art und Weise sich mit dem Leben auseinanderzusetzen.

Im Diskursfeld KI sind düstere und kritische Filme die verunsicherte und nachdenkliche Gegenstimme zum "We are always in charge"-Selbstbewusstsein und Optimismus der lösungsorientierten Wissenschaft. Dabei hilft es, dass wir uns nicht im Tunnel der Expertise bewegen, sondern aus dem Sumpf der Irrationalität menschlicher Empfindung und Unzulänglichkeit heraus denken, denn die Fehlbarkeit wird immer unsere ur-menschlichste Kernkompetenz bleiben - wir sollten sie niemals aus den Augen verlieren. Und wenn ich damals einen “netten” Film zum Thema KI gezeigt hätte, wäre ich mit dem optimistischen Studenten wahrscheinlich nie ins Gespräch gekommen und so beende ich diesen Text mit der Frage: Are we still in charge of it?

 

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2019 – Künstliche Intelligenz.

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