„Die Menschen müssen motiviert werden vorzubeugen“



Prof. Stephan Felix

Weltweit sterben die meisten Menschen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) könnten jedoch mehr als die Hälfte der Todesfälle durch Vorbeugung vermieden werden. Das Forschungsprojekt CARDIO-PREVENT der Universität Greifswald untersucht, inwiefern ein veränderter Lebensstil das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken kann. Prof. Stephan Felix, Sprecher des Greifswalder Verbundes, erklärt, wie die Forscherinnen und Forscher vorgehen.

 

Herr Professor Felix, welche Rolle spielt der Lebensstil bei Herzkrankheiten?

Zahlreiche epidemiologische Studien haben gezeigt, dass Übergewicht und mangelnde Bewegung mit der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie zum Beispiel der Herzkranzgefäß-Verkalkung assoziiert sind.

 

Aus der Gesundheitsstudie „Study of Health in Pomerania (SHIP)“ ging hervor, dass Risikofaktoren wie Bluthochdruck und Diabetes in Vorpommern besonders verbreitet sind. Warum ist das so?

Obwohl die medizinische Versorgung bei uns in Vorpommern auf dem Land und in den Kliniken sehr gut ist, sind hier im Bundesvergleich Herz-Kreislauf-Erkrankungen sehr häufig. Das hängt sicherlich mit den Lebensgewohnheiten zusammen. In Vorpommern wird mehr geraucht und die Menschen sind im Vergleich zu anderen Regionen Deutschlands schwerer. Das Bewusstsein, gesund zu leben und vorzubeugen, ist in den Ballungsräumen großer Städte stärker ausgeprägt als auf dem Land. Allerdings sind die tatsächlichen Krankheitsursachen von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich, wie das Greifswalder GANI_MED-Projekt (Greifswald Approach to Individualized Medicine) uns zeigt.

Ein Projekt zur individualisierten Medizin…

Genau. GANI_MED will die individuellen Ursachen für Herz-Kreislauf-Erkrankungen herausfinden. Bluthochdruck beispielsweise hat ganz unterschiedliche Gründe: Der eine Patient ist übergewichtig, der andere raucht, ein dritter hat eine familiäre Vorbelastung. Es gibt viele Menschen, die einen Bluthochdruck von 150 zu 100 über Jahre tolerieren, ohne krank zu werden. Bei anderen reicht schon ein leichter Blutdruckanstieg, damit sie eine Herzmuskelschwäche erleiden. GANI_MED erfasst den genetischen Hintergrund der Patienten und die individuelle Ausprägung ihrer Krankheit.

 

Und diese Daten nutzen Sie für die neue Studie?

Ja, die CARDIO-PREVENT-Studie basiert auf der SHIP-Studie und dem GANI_MED-Projekt. Ein Präventionsprojekt ist die logische Konsequenz, wenn Daten über Risikofaktoren und individuelle Ursachen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorliegen. Wir möchten herausfinden, wie wir rechtzeitig intervenieren können, um das Krankheitsrisiko zu minimieren.

 

Wie ist das Forschungsprojekt aufgebaut?

Wir machen zwei Studien. In der so genannten Primärprävention untersuchen wir Menschen mit einem hohen Risikopotenzial. Die Sekundärprävention dagegen umfasst Patienten, die bereits einen Herzinfarkt hatten oder an Herzmuskelschwäche leiden. Beide Gruppen bekommen einen Leitfaden mit Ernährungsberatung und einem Trainingsprogramm zur körperlichen Bewegung.

 

Gesundheitscheck, Sport, Ernährungsumstellung – das klingt erst mal nicht wirklich neu. Was ist denn das Besondere an dem Programm?

Das CARDIO-PREVENT-Projekt bietet den Patienten ein umfassendes kardiovaskuläres Untersuchungsprogramm, das neben einer modernen Bildgebung, neuen Untersuchungsmethoden zur Beurteilung von Herz- und Gefäßfunktionen auch eine molekulare Labordiagnostik beinhaltet. Die Untersuchungen werden von zertifiziertem Personal in regelmäßigen Abständen durchgeführt, um den Interventionserfolg beurteilen zu können. Neu an CARDIO-PREVENT ist außerdem, dass wir interdisziplinär an die Aufgabe herangehen. Viele gefährdete Menschen sagen von sich, dass es ihnen gut geht. Die wollen ihr Verhalten nicht ändern. Denn sie wissen gar nicht, wie gefährlich ihr Lebensstil ist, weil sie noch belastbar und nicht klinisch behandlungsbedürftig sind. Oder Infarktpatienten: Viele sind erst mal stark sensibilisiert, nachdem sie einen Herzinfarkt überlebt haben. Aber dann, ein Jahr später, nehmen sie wieder zu und ernähren sich ungesund. Die Menschen müssen also motiviert werden vorzubeugen. Dafür haben wir Psychologen und Sozialmediziner mit an Bord, die ein spezielles Motivationsprogramm mit den Probanden durchführen.

 

Wie läuft das Präventionsprogramm genau ab?

Derzeit erstellen wir mit Ernährungswissenschaftlern und Sportwissenschaftlern einen Ernährungs- und Trainingsplan. Wir wollen auch mit Reha-Kliniken und Herzsportgruppen zusammenarbeiten. Wir können den Probanden ja nicht einfach sagen: Treibt mal ein bisschen Sport und esst gesünder. Das muss überwacht werden. Wir bestellen die Probanden deshalb in regelmäßigen Abständen ein und kontrollieren ihre Blutwerte und Belastbarkeit.

 

Wie schnell kann man denn durch bessere Ernährung und mehr Bewegung positive Effekte für die Herzgesundheit erzielen?

Wir gehen davon aus, dass man bereits nach einem halben bis einem Jahr Erfolge messen kann. Im Rahmen von CARDIO-PREVENT wollen wir herausfinden, was für einen Effekt die Änderung des Lebenswandels auf das Krankheitsrisiko überhaupt haben kann. Also, ob es uns gelingt, beispielsweise den Blutdruck abzusenken oder den Anteil von „gutem“ HDL-Cholesterin anzuheben ohne Medikamente zu verabreichen.

 

Weitere Informationen:

Zum Forschungsprojekt CARDIO PREVENT der Universität Greifswald