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Freiheit heute
Barbie, Feminismus
und Diskursregeln –

was Schülerinnen und Schüler im Kino über Freiheit lernen können

Ein Beitrag von Michael Jahn.

Seit fast 20 Jahren verankert VISION KINO mit den SchulKinoWochen herausragende Kinofilme und den Kultur- und Lernort Kino im schulischen Alltag. Deutschlandweit beteiligen sich regelmäßig über 800 Kinos und rund 950.000 Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte an dem Angebot und machen die SchulKinoWochen damit zu einem der wichtigsten außerschulischen Bildungsangebote in Deutschland. Seit vielen Jahren beschäftigt sich VISION KINO im SchulKinoWochen-Programm auch mit den jeweiligen Themen der Wissenschaftsjahre – in diesem Jahr zum Thema Freiheit.

Freiheit als brennend aktuelles Thema für junge Menschen

Für Kinder und Jugendliche sind zwei Fragen allgegenwärtig: Wie ist es um die eigene Freiheit bestellt? Und wie kann die Freiheit künftiger Generationen gesichert werden? Denn täglich treffen junge Menschen Entscheidungen und wollen dabei „frei“ sein – zugleich werden sie mit Regelwerken und Handlungen anderer konfrontiert, die sie darin jetzt und in Zukunft einschränken.

Warum gibt es immer noch Menschen, die anderen vorschreiben wollen, welche Lebens- und Arbeitsweise, Religion, politische Position oder sexuelle Orientierung die angeblich einzig Richtige ist? Und was hat es für Auswirkungen, wenn nicht mehr andere Menschen, sondern Computerprogramme und Algorithmen über die eigenen Handlungsmöglichkeiten entscheiden?

Aus diesen Fragestellungen heraus haben wir bei VISION KINO ein Filmprogramm entwickelt, bestehend aus insgesamt sieben Spiel-, Animations- und Dokumentarfilmen für alle Altersgruppen und Schularten. Es soll Kinder und Jugendliche ermutigen, über den Wert und die Bedeutung von Freiheit nachzudenken. Dazu haben wir umfangreiche Unterrichtsmaterialien erstellt, seit Ende Januar läuft das Programm bei den SchulKinoWochen.

Mit Barbie über Freiheit und Feminismus nachdenken – ein Praxisbeispiel

Doch wie integrieren Schulen das Programm konkret in ihren Unterricht? Dazu ein Beispiel aus der SchulKinoWoche Hessen im März 2024: Die 12. Klassen eines Eschborner Gymnasiums verbrachten den Schultag im nahegelegenen Kino in Kronberg. Die SchulKinoWochen bestanden aus zwei Programmteilen: Zuerst liefen der inhaltlich und ästhetisch komplexe und anspruchsvolle Dokumentarfilm FEMINISM WTF und BARBIE, der erfolgreichste Kinofilm des vergangenen Jahres. Die Filme boten zwei unterschiedliche Perspektiven auf die Themenfelder Feminismus und Patriarchat.

Anschließend diskutierten die Schulklassen untereinander und mit zwei Forschenden. Mit Frederik Kampe war ein Ästhetikforscher dabei, der aktuell zum Thema „Barbie – Ästhetik und Kultur auf eleven-and-a-half-inch“ promoviert. Ebenfalls beteiligte sich Filmwissenschaftlerin Dr. Leonie Zilch, die sich an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz mit feministischer Filmtheorie, Porn Studies und der Wissensgeschichte weiblicher Sexualität beschäftigt.

Das Kino als Ort für Perspektivwechsel und Diskussionen

In der lebhaften Diskussion dachten die Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit den Forschenden über den Zusammenhang zwischen Feminismus und Freiheit nach und sprachen über die Unterschiede zwischen der Freiheit des Mannes und der Freiheit der Frau. Die Schülerinnen und Schüler verstanden, dass sich Feminismus gegen das Prinzip einer „richtigen Weiblichkeit“ oder einer „richtigen Männlichkeit“ auflehnt und dass es auch um die (eigene) Freiheit geht, anders sein zu dürfen, ein Leben außerhalb der binären Geschlechterordnung zu führen. Zudem reflektierten die jungen Menschen über den Perspektivwechsel, der in den Filmen stattfand, stellten Fragen, äußerten ihre klugen Gedanken und teils kontroversen Ansichten.

Nicht zuletzt tauchten auch die Themen Diskussionsführung und Gesprächskultur selbst auf: Wie mit jemandem diskutieren, der einen nicht zu Wort kommen lässt, nichts von Feminismus wissen will, oder immer Recht behalten will? Wie lässt sich eine Diskussion mit Meinungsverschiedenheiten gut beenden? Damit landeten die Eschborner Schulklassen am Ende bei einem weiteren großen Thema unserer Zeit und bestätigten, wie wichtig Kinos als Orte eines freien Diskurses sind, gerade heute und gerade auch außerhalb der großen Städte. Kinos sind nicht nur Orte, an denen Kinder und Jugendliche bei den SchulKinoWochen inspirierende und lehrreiche Filme sehen können, sondern auch gemeinsam darüber nachdenken und diskutieren.

Michael Jahn

Michael Jahn

 

Michael Jahn studierte Kommunikations- und Medienwissenschaften sowie Kulturwissenschaften an der Universität Leipzig. Seit 2006 ist er bei VISION KINO für das größte kinobezogene Filmbildungsangebot in Deutschland, die SchulKinoWochen, verantwortlich.

„Mit 18 Jahren habe ich EASY RIDER im Kino gesehen: zwei krasse Typen durchqueren auf Motorrädern die USA und erleben die Grenzen der Freiheit. Ein Kultfilm der späten Hippie-Generation, der die Kraft des Kinofilms zeigt und auch heute noch mein Bild von „Freiheit“ prägt. Seit nun fast 20 Jahren arbeite ich daran, Kindern und Jugendlichen prägende Kinoerlebnisse zu ermöglichen. Veranstaltungen wie die in Hessen zeigen mir, dass Kino nichts von dieser Kraft verloren hat.“

Michael Jahn

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2024 – Freiheit.​