Wissenschaftsjahr 2007 - Demokratie

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Demokratie

Die Idee der repräsentativen Volksherrschaft ist in der heutigen Welt zu einer – gleichwohl vielfach bedrohten – Selbstverständlichkeit avanciert. Sie bildet ein notwendiges, unveränderliches Prinzip moderner Verfassungen. Dieses allgemeine Bekenntnis zur Demokratie lässt die Einsicht nicht leicht zu, dass die Geschichte des Demokratiebegriffs keineswegs geradlinig verlaufen ist.

Geboren wurde die Idee der Volksherrschaft in der Antike. Auch wenn die "athenische Demokratie" noch weit von echter Gleichberechtigung entfernt war, so gab es doch im fünften vorchristlichen Jahrhundert ein ausgeprägtes Bewusstsein dafür, dass Menschen vor dem Gesetz prinzipiell gleich sind. Das Reformwerk des griechischen Staatsmannes Solon im Sinne der Bürgerschaft, des Demos, diente zunächst einmal dazu, die mächtigen Adelsgeschlechter zurückzudrängen, die Athen in eine Krise gestürzt hatten.

Die antiken Denker begleiteten diese Entwicklung mit einer tiefgehenden Verfassungsdiskussion. Drei Herrschaftsformen schienen dem Historiker Herodot möglich, unterschieden nach der Zahl der Regierenden (alle, wenige oder einer): Demokratie, Aristokratie und Monarchie. Bald wurden weitere Unterscheidungen eingeführt, die die guten und schlechten Varianten dieser Formen bezeichnen. So kamen die Negativkonzepte Pöbelherrschaft, Oligarchie und Tyrannis hinzu.

Das Mittelalter kannte zwar die Gleichheit unter Standesgenossen, aber verband diese nicht mit dem Gedanken der Volksherrschaft. Noch bis zum 18. Jahrhundert hatte die Demokratie ihren Ort allein in der gelehrten politischen Theorie. Erst die Aufklärung bezog den Begriff auch auf aktuelle Verfassungen (USA, Schweiz, Niederlande), allerdings nicht immer in positiver Absicht. Unter dem Eindruck der Jakobinerherrschaft konnte die reine Demokratie sogar als "Despotism" erscheinen, dem die Aufklärer den alten Begriff Republik entgegenhielten.

Während jenseits des Atlantiks bereits seit der amerikanischen Verfassung von 1787 der erste demokratische Staat existierte, setzte sich in den meisten europäischen Ländern der Demokratiebegriff erst – und noch nicht endgültig – im 19. Jahrhundert durch, wobei man ihn nun als End- und Zielpunkt der Geschichte verstand. Reflektiert wurde über die Demokratie in der Philosophie ebenso wie in der Rechtslehre, selbst Philologen beteiligten sich an der Debatte. Eine wichtige Einsicht war es, dass sich moderne Demokratie von der antiken Form fundamental unterscheide, und zwar durch das repräsentative Verfahren.

In Deutschland verband sich die Demokratievorstellung mit der Idee einer altgermanischen Freiheit. So groß die Anziehungskraft auf die deutschen Romantiker aber auch war, so siegte doch die Gegnerschaft, zumal nach dem Entstehen der Sozialdemokratie. Der Schlachtruf von 1848 – "Gegen Demokraten helfen nur Soldaten" – hatte noch lange Geltung. Auch die marxistische Theorie erblickt in der Demokratie nur einen Übergangszustand.

Der Umschwung begann in Deutschland um 1900, als der Politiker und Theologe Friedrich Naumann mit großer Wirkung die Vereinbarkeit von Demokratie und Liberalismus propagierte. An solche Gedanken schloss man nach dem Ersten Weltkrieg an, wenn auch nur für kurze Zeit. Endgültig an Freiheit und Recht gekoppelt wurde der Demokratiebegriff nach 1945: In allen Aspekten ist er seither der Gegenbegriff zum Faschismus und zu allen anderen totalitären Gesellschaftsentwürfen.

Die heutige politische Philosophie unterscheidet zwischen empirischen (beschreibenden) und normativen (vorschreibenden) Demokratietheorien. Hinter diesen Großkonzepten stehen zwei unterschiedliche Ansichten: eine starke Betonung der Repräsentativität einerseits, die Herausstellung der basisdemokratischen Dimension andererseits, die man für durchaus vereinbar mit der modernen Welt hält. In Reinform finden wir einen empirischen Beschreibungsversuch in der Systemtheorie, während Konzepte wie die deliberative, an die öffentliche Meinung rückgekoppelte Demokratie, für die etwa Jürgen Habermas einsteht, oder die verschiedenen Formen der direkten Demokratie klar normativ sind. Diese Jahrzente währenden, im weitesten Sinne sozialtheoretischen Diskussionen haben den Demokratiebegriff geweitet: Es hat sich gezeigt, dass die Angemessenheit einer Demokratieform auch von der Größe der zugehörigen Gruppe abhängt.


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