Wissenschaftsjahr 2007 - Ethik



Ethik

Gibt es allgemeingültige moralische Normen, nach denen wir unser Handeln ausrichten können? Faktische Normen existieren zweifellos viele. Mit ihnen befassen sich etwa Rechtswissenschaft, Psychologie und Soziologie. Die Begründung handlungsleitender Normen von allgemeiner Bedeutung aber ist eine genuine Aufgabe der Philosophie. Der Fachterminus lautet "Ethik", abgeleitet vom griechischen Begriff "ethos", der etwa "Gewohnheit" bedeutet. Weil es dabei vor allem um das Nachdenken über das rechte Handeln geht, sprach man früh von "praktischer Philosophie".

Untersucht werden in der Ethik menschliche Handlungen. Ob diese als gut oder schlecht anzusehen sind, kann sich entweder an einer Norm bemessen ("Lügen ist immer schlecht") oder an den Folgen der Handlung ("Lügen ist schlecht, wenn es einen Schaden herbeiführt, der den Nutzen übersteigt."). Diese Unterscheidung von Sollens-Ethiken ("deontologisch") und Handlungsfolgen-Ethiken ("teleologisch") erlaubt eine erste Systematisierung. Beide Formen beziehen sich als "Individualethiken" auf das Handeln des Einzelnen. Werden statt dessen ganze Institutionen bis hin zu Staatsgebilden danach befragt, wie gerecht es in ihnen zugeht, handelt es sich um eine "Sozialethik".

Ausformuliert hat die Ethik erstmals und folgenreich Aristoteles. Eine wohlgelungene Praxis ist demnach die "Verwirklichung der Seele gemäß der Tugend", wodurch der Handelnde (teleologisch) das höchste Gut erreiche: das Glück. Tugendhaftes Handeln besteht für Aristoteles im Halten des rechten Maßes. Anders sahen es die Stoiker. Eines ihrer großen Verdienste war es, ein ungeschriebenes "sittliches Naturgesetz" über allem existierenden Recht anzunehmen, mit dem das Handeln im Einklang stehen müsse. Auch hier war so (teleologisch) das Glück zu erlangen, das allerdings nun in einer resoluten Wendung nach innen bestand. Diese Idee samt Pflichtbewusstsein und Entsagung verband sich im Christentum mit dem Gedanken des göttlichen Gesetzes.

Dem Rationalismus war dagegen an einer Verbindung von politischer und ethischer Theorie gelegen. Thomas Hobbes zum Beispiel führte die praktische Philosophie zurück auf den mechanisch determinierten Menschen, für den das Gute an sich nicht existiere. Vielmehr sei Recht und Unrecht nur aus den Erfordernissen einer politischen Praxis zu erschließen. Von der Mitte des 17. Jahrhunderts an entstanden auch an den deutschen Universitäten zahlreiche Lehrstühle für Ethik und Politik.

Schließlich stellte Immanuel Kant die Ethik auf eine neue, rein formale Grundlage. Er verzichtete auf jede Fundierung des Guten, die auf Werte (Glück, Gott etc.) zurückgriff, und ließ (deontologisch) nur jene Normen gelten, die für alle annehmbar waren. Seine Ethik kulminiert im bis heute überlegenswerten kategorischen Imperativ: "Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne." Klar teleologisch dagegen ist der zeitgleich entstandene Utilitarismus Jeremy Benthams, der Handlungen gut nennt, wenn sie möglichst viel Glück herbeiführen.

Politik, Gesellschaft und Ethik werden auch heute wieder zusammengeführt, wobei es allerdings anders als im Rationalismus darum geht, politische und gesellschaftliche Handlungsweisen im Hinblick auf ihre ethischen Auswirkungen zu überprüfen: Dafür steht in Deutschland paradigmatisch der "Deutsche Ethikrat", dessen Aufgabe es ist, auf dem Gebiet der Lebenswissenschaften Stellung zu beziehen. Auch die neueren Ansätze innerhalb der Ethik reagieren häufig auf Herausforderungen, vor die uns der technisch-wissenschaftliche Fortschritt stellt. Obwohl stark ausdifferenziert – von Politischer Ethik über Bio-, Medizin-, Technik-, Umwelt-, Tier-, Wirtschafts-, Medien- und Zukunftsethik bis zur Diskursethik – und zudem oft kontrovers, bleiben sie bezogen auf die genannten Konzepte.


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