Wissenschaftsjahr 2007 - Freiheit



Freiheit

Freiheit ist ein Wort von großer und umfassender Bedeutung: Antrieb gesellschaftlicher Entwicklungen, Zielpunkt wirtschaftlicher Modernisierungen, Schlachtruf für Revolutionen. Sie war die erste der drei berühmten zentralen Forderungen der Französischen Revolution: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. "Die Freiheit besteht darin, alles tun zu können, was keinem anderen schadet", lautete der einschlägige Artikel 4 der französischen "Erklärung der Menschenrechte" von 1791.

Ein Wille zur Selbstbestimmung, der ungeheure Dynamik freisetzte. In seinem berühmten Gemälde "Die Freiheit führt das Volk" stellte der Maler Eugène Delacroix die Freiheit allegorisch als barbusige Frau dar, die mit dem Gewehr in der Hand den bewaffneten Bürgern voranschreitet. Die Freiheit erscheint hier zugleich als Anführerin wie als einigendes Band der Bürger, vor deren Ansturm die Macht des Adels und der Kirche unweigerlich kapitulieren muss.

Der große Stichwortgeber der Französischen Revolution war Jean-Jacques Rousseau, vor allem mit seinem Werk "Du Contrat Social" ("Über den Gesellschaftsvertrag"). Nach der dort niedergelegten Auffassung kommt Freiheit den Individuen im Naturzustand zu. Sie werden allerdings erst zu Staatsbürgern, indem sie auf ihre natürliche Unabhängigkeit verzichten und in vollkommener Freiheit dem Gesellschaftsvertrag zustimmen. Auch die Gleichheit der Staatsbürger geht für Rousseau aus der Freiheit hervor. Da die Gesellschaft auf dem freien Entschluss aller beruht, kann Ungleichheit ihrer Mitglieder durch nichts begründet werden. Die gesamte Staatsgewalt wird auf die politische Freiheit der Staatsbürger zurückgeführt – das ist zugleich eine der zentralen Grundlagen der modernen Demokratien, in denen die bürgerliche Freiheit praktischen Ausdruck in den Bürgerrechten findet.

Es war der deutsche Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel, der die Freiheit als zentrale Antriebskraft der Weltgeschichte beschrieb. In seiner Geschichtsphilosophie kommt die Freiheit in der Entwicklung des menschlichen Geistes in zunehmendem Maße zum Bewusstsein ihrer selbst. "Die Weltgeschichte ist der Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit", heißt es in der Einleitung von Hegels "Philosophie der Weltgeschichte". Damit ist die moderne Auffassung von Fortschritt an die Freiheit gekoppelt. Eine Gesellschaft hat umso mehr am Fortschritt teil, je mehr Freiheit sie für ihre Mitglieder praktisch verwirklichen kann.

Jeder Freiheit sind aber Grenzen zu setzen, spätestens dann, wenn sie die Freiheit der anderen Menschen tangiert – schon die französische "Erklärung der Menschenrechte" kannte diese Einschränkung. Daraus folgen Probleme, die viele Philosophen beschäftigt haben. Immanuel Kant setzte darauf, dass der Mensch als Vernunftwesen in der Lage ist, die Grenzen seiner Freiheit zu erkennen und dementsprechend zu handeln, indem er sich selbst Gesetze seines Handelns gibt. Das bedeutet nichts anderes, als dass er selbst seiner Freiheit Grenzen setzt.

Der britische Denker John Stuart Mill hingegen fand in seiner Schrift "On Liberty" ("Über die Freiheit"), die die Grundlage des liberalen Denkens vor allem im englischsprachigen Raum bis heute darstellt, nur eine mögliche Begründung, in die Freiheit der anderen einzugreifen: den Selbstschutz. Er setzte das Limit, "dass der einzige Grund, aus dem die Menschheit, einzeln oder vereint, sich in die Handlungsfreiheit eines ihrer Mitglieder einzumischen befugt ist: sich selbst zu schützen. Dass der einzige Zweck, um dessentwillen man Zwang gegen den Willen eines Mitglieds einer zivilisierten Gesellschaft rechtmäßig ausüben darf: die Schädigung anderer zu verhüten."

Die philosophischen Überlegungen zur Freiheit haben zu Verfeinerungen des Verständnisses geführt: Von "negativer Freiheit", auf welche die traditionellen Gesellschaftstheorien beschränkt waren, wird so die "positive Freiheit" unterschieden, womit gemeint ist, dass jemand seine passive Freiheit auch aktiv nutzen kann, weil er die (etwa materiellen) Ressourcen dazu hat. In damit nicht immer kompatibler Weise ist in den Wirtschaftswissenschaften von Freiheit die Rede, wenn es um Marktwirtschaft ohne staatliche Lenkung geht. 


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