Kuck mal, wer da hört!

Professor Dr. Rainer Schönweiler ist Leiter der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde an der Uniklinik Lübeck. Er erforscht die Hörentwicklung bei Kindern und erklärt, wie Stadtlärm das kindliche Gehör beeinflusst.

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Im folgenden das Interview im Wortlaut:

Prof. Dr. Rainer Schönweiler

Ab welchem Alter fangen Kinder an zu hören?

Viele Eltern meinen, dass Kinder erst mit zwei bis drei Lebensmonaten anfangen zu hören. Wenn die Kinder nämlich auf Alltagsgeräusche, auf Ansprache reagieren. Aber das ist schon viel früher. Die Kinder haben die Chance zu hören ab der 22. Schwangerschaftswoche und zwar dann nämlich, wenn das Innenohr anatomisch und funktionell voll ausgebildet ist und auch an das Gehirn angeschlossen ist. Viele aufmerksame werdende Mütter, die merken das auch, wenn Kinder äußerliche Geräusche oder Musik oder Sprache wahrnehmen, dass sie sich dann bewegen. Das ist der Beweis dafür, dass die Kinder das gehört haben.

Wie entwickelt sich unser Gehör über die Jahre?

Nach der Geburt benutzen die Kinder das bereits im Mutterleib erlernte Vorwissen und können dann zum Beispiel nach der Geburt die mütterliche Stimme bevorzugen, Das kann man daran merken, dass sie besser trinken und saugen, wenn sie der mütterlichen Stimme ausgesetzt sind, sozusagen. Aber dann erlernen sie mit etwas drei bis vier Monaten die Schallrichtung rechts und links zu erkennen, mit zwei Jahren können die Kinder alle Schallrichtungen erkennen. Also den Kopf sofort in die richtige Richtung zum Sprecher hinwenden ohne die Schallquelle mit den Augen zu suchen. Das ist eine sehr wichtige Leistung, um die Leistung zu entwickeln, Störgeräusche zu verstehen, also bei Nebengeräuschen etwas zu verstehen. Das braucht man, um sich mit anderen Menschen im Störgeräusch unterhalten zu können.

Woran kann ich erkennen, ob mein Kind richtig hört?

Das wichtigste Zeichen dafür, dass Kinder nicht richtig hören, ist, dass sie nicht ordentlich sprechen lernen. Wenn also ein Kind die ersten Wörter nicht mit, sagen wir mal, bis zum 15. Lebensmonat spricht und es sonst keine Erklärung dafür gibt, dann könnte das ein Hörproblem sein. Wäre also sofort ein Anlass, einen Hörtest durchzuführen. Um das jetzt etwas früher zu entdecken, gibt es jetzt Hörvorsorgeuntersuchungen, die erste findet direkt nach der Geburt statt, das ist ja dieses Neugeborenen-Hörscreening. Und dann kann man auch darauf reagieren und eine Therapie sich überlegen, beispielsweise bei einer dauerhaften Schwerhörigkeit, kann das ein Hörgerät sein. Oder bei einer vorübergehenden Schwerhörigkeit kann das eine kleine Operation sein, die das Gehör dann wiederherstellt.

In wieweit beeinflusst denn Stadtlärm das Gehör der Kinder?

Ja, da denkt man natürlich zunächst einmal an die Lärmschwerhörigkeit, an die Schädigung des Innenohrs durch den Lärm. Das spielt aber bei diesen Geräuschen kaum eine Rolle in diesem Alter, weil einfach die Lärmeinwirkung und die Laustärken nicht ausreichen, um hier eine Schädigung zu provozieren. Die Problematik mit den Störgeräuschen ist eigentlich, dass diese Nebengeräusche das Kind daran hindern, alles genau richtig auf Anhieb zu verstehen. Das Kind ist abgelenkt und kann auch den Sprecher nicht so wie Erwachsene aus einem Hintergrundgeräusch herausfiltern. Und das ist eigentlich das große Problem bei diesen städtischen Störgeräuschen.

Nehmen Kinder Stadtgeräusche anders wahr als Erwachsene?

Die Kinder sind natürlich noch nicht so in der Lage, die Stadtgeräusche zu deuten. Sie kennen viele Stadtgeräusche noch nicht und können nicht abschätzen, ob etwas nah oder fern ist, herannahend oder sich entfernend - Autos beispielsweise bei der Teilnahme im Straßenverkehr. Oder sie wissen auch nicht, aus welcher Richtung die Geräusche kommen und das müssen die Kinder natürlich in der Hörentwicklung erst einmal lernen. Aus diesem Grund haben die Kinder natürlich hier einen Nachteil gegenüber den Erwachsenen. Dann haben wir das Problem, dass die Nebengeräusche natürlich bei Spaziergängen in der Stadt auch stören können bei den Unterhaltungen, die Kinder verstehen nicht alles auf Anhieb durch vorbeifahrende Autos. Man muss dann lauter werden und muss sich lauter mit Kindern im Straßenverkehr unterhalten als wenn man es mit Erwachsenen tun würde.

Vielen Dank!

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