Wieso, weshalb, warum?

Dr. Stephanie Kademann ist Entwicklungspsychologin in der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“. Sie erklärt, ab welchem Alter sich Kinder für Töne und Geräusche interessieren, und wie wichtig diese für die Entwicklung von Kindern sind.

Gerne können Sie das Interview redaktionell verwenden. Bitte kontaktieren Sie bei Interesse presse(at)wissenschaftsjahr-zukunftsstadt.de.

Im folgenden das Interview im Wortlaut:

Dr. Stephanie Kademann © Haus der kleinen Forscher

Ab welchem Alter können sich Kinder für akustische Phänomene begeistern?

Der Hörsinn ist der erste Sinn, der sich bei uns Menschen entwickelt. Schon im Mutterleib ist das Ohr schon vollständig ausgebildet und es gibt ganz witzige Untersuchungen, die zeigen, dass die Kinder direkt nach der Geburt die Stimme der Mutter wiedererkennen oder auch die Melodie der Lieblingsserie, die die Mutter während der Schwangerschaft immer wieder geschaut hat – und die lassen sich dann damit beruhigen. Das ist ganz wunderbar, das so zu sehen, und die Kinder haben von Anfang an große Freude, selbst Laute zu produzieren, sie gurren, sie schmatzen, sie erfahren sich selbst über diese Geräusche, die sie produzieren. Sie wenden ihre Aufmerksamkeit sofort hin, wenn sie irgendein Geräusch hören, wenn sie Stimmen hören, wenn jemand mit der Rassel rasselt – die Kinder gucken sofort, was ist da los?

Wie wichtig sind Geräusche und Klänge für die Entwicklung von Kindern?

Erst mal ist es so, dass Kinder sich natürlich ihre Umwelt über Sinne erschließen. Und die Hörerfahrung spielt natürlich auch eine ganz große Rolle, die Ohren nehmen ständig die Geräusche, die Informationen über unsere Umgebung wahr. Und das ist auch für die Kinder sehr wichtig, die Geschehnisse in ihrer Umwelt einzuordnen, zu filtern, aktiv zuzuhören, aber auch dieses bewusste Weghören zu lernen, das ist für die Entwicklung sehr wichtig. Aber Geräusche haben auch eine große emotionale Bedeutung: Kinder lieben es, vorgelesen zu bekommen, Hörspiele sich anzuhören, aber auch Musik spielt für Kinder eine enorme Rolle. Das heißt, wir haben ein natürliches Interesse für Klänge und Geräusche, was es gilt, einfach nur aufzugreifen.

Sie entwickeln ja Materialien für Erzieher und Grundschullehrkräfte, die Kindern naturwissenschaftliche Themen näherbringen wollen. Ist es nicht ein bisschen früh für die Kinder, sich damit auseinanderzusetzen?

Das könnte man meinen, aber die Wissenschaft zeigt uns eigentlich, dass selbst Säuglinge schon kleine Forscher in Windeln sind, die sich ihr Bild von der Welt schaffen. Also, es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass sie sich wundern, wenn sich eine Kugel zum Beispiel anders verhält, eine Schräge nicht runterrollt, sondern nach oben kullert. Und diese Erfahrungen, die sie machen, betten sie schon in sogenannte „naive Theorien“ ein, und wir als Erwachsene haben eigentlich nur die Aufgabe, diese Neugier der Kinder zu begleiten, zu fördern, nicht zu stören oder irgendwie kaputt zu machen. Die alten Griechen haben schon gesagt, „Lehren heißt eigentlich, ein Feuer zu entfachen und nicht irgendwelche leeren Gefäße zu füllen“ - und daran sollten wir uns halten.

Wie genau werden akustische Themen den Kindern vermittelt?

Die Akustik ist natürlich so ein ganz klassisches physikalisches Gebiet. Das heißt, auch wir als Stiftung haben mit den Kindern das erforscht, was auch die Großen erforschen und das so aufbereitet, dass es auch für Kinder zugänglich ist. Also, das Märchen, wo das Rotkäppchen da die Großmutter fragt: „Aber warum hast du denn so große Ohren? Damit ich dich besser hören kann!“ Stimmt das denn, ist das so? Und da kann man einfach selbst mal nachvollziehen, die Hände wie so einen Trichter hinter die Ohren halten und schauen, dass sich damit tatsächlich Geräusche verstärken. Denn ein Geräusch, das breitet sich immer nach allen Richtungen aus und je größer die Auffangfläche sozusagen für den Schall ist, desto mehr Geräusch gelangt in unser Ohr – deswegen ist die Ohrmuschel auch so kompliziert aufgebaut.

Wie sieht es mit dem Lärmempfinden der Kinder aus?

Wir steuern das Lärmempfinden auch über emotionale Zuweisung. Das heißt, wenn wir uns besonders über ein Geräusch ärgern, weil der Nachbar schon wieder da seine Lieblingsplatte hört, dann fokussieren wir uns da so sehr darauf, dass wir das nicht mehr ausblenden können. Und bei Kindern zeigt sich sehr schön, dass für das Lärmempfinden sehr wichtig ist, ob sie zu diesem Lärm selbst beitragen können. Da gibt es eine lustige Untersuchung in der Schmiede, wo ja wirklich sehr laute Geräusche sind und die Kinder kommen rein und sind eigentlich richtig verängstigt. Jetzt bekommen sie aber diesen Hammer in die Hand und dürfen selbst zu diesem Krach beitragen, und schon ist alles wieder in Ordnung, dann macht das Spaß!

Nehmen Stadtkinder Geräusche und Lärm anders wahr als Kinder vom Land?

Natürlich ist es so, dass in der Stadt die Geräusche lauter sind, vielleicht auch vielseitiger. Aber wir Menschen haben da eigentlich einen ganz guten Schutzmechanismus: Wenn wir einen neuen Reiz wahrnehmen, dann haben wir erst mal so eine Art Orientierungsfunktion. Das heißt, wir fokussieren unsere Aufmerksamkeit auf dieses Geräusch wie so ein Scheinwerfer und je häufiger wir dieses Geräusch aber hören, desto mehr nimmt unsere Aufmerksamkeit dafür ab. Das heißt, diese kontinuierlichen Geräusche, die blenden wir irgendwann aus. Sei es der brummende Kühlschrank oder irgendwie die rauschende S-Bahn, die immer wieder durchfährt, das lernen wir auszuschalten, um unseren Körper auch vor Überlastung zu schützen, dass wir da nicht zu viel wahrnehmen und nicht so einen Overload haben – und das tun Kinder im Prinzip auch.

Vielen Dank!

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