Am Anfang war ein Beat

Alexej Gerassimez ist Percussionist aus Berlin. Er erzählt, welche Geräusche ihn an der Stadt faszinieren und wie diese Klänge und Geräusche seine Musik beeinflussen.

Gerne können Sie das Interview redaktionell verwenden. Bitte kontaktieren Sie bei Interesse presse(at)wissenschaftsjahr-zukunftsstadt.de.

Im folgenden das Interview im Wortlaut:

Alexej Gerassimez
Alexej Gerassimez

Wie hat Ihre Leidenschaft zum Schlagzeug begonnen?

Ich komme aus einer sehr musikalischen Familie. Das heißt, von Anfang an war immer viel Musik in unserem Haus. Ich habe ganz früh angefangen, in meinem Kinderzimmer so kleine Aufbauten aufzubauen. Also ich bin in die Küche meiner Mutter und hab da dann die Töpfe aus dem Schrank gezerrt – alles, was irgendwie halt eine Resonanz oder einen interessanten Klang macht. Und in meinem Kinderzimmer halt so, ja, halt Konzerte für meine Kuscheltiere gegeben.

Gehen Sie aktiv auf die Suche nach Klängen oder wie kann ich mir das vorstellen?

Wenn ich einen neuen oder interessanten Klang entdecke, bin ich erst mal fasziniert, aber das kann alles Mögliche sein. Also, häufig passiert natürlich so was dann tatsächlich am Tisch, wenn man dann sitzt man halt und es ist schon interessant, einfach aus dem Tisch manchmal verschiedene Klänge rauszuholen. Also der Tisch klingt halt in der Mitte ganz anders als direkt überm Tischbein – oder du spielst das Tischbein direkt und dann kann das auch schon interessant sein. Also ich schwimm da in so meinem Meer umher und freu mich, wenn ich irgendwas entdecke.

Welche Geräusche faszinieren Sie am meisten?

Generell unterscheide ich da ja so ein bisschen zwischen natürlichen Geräuschen, also Wind, Bäume, Umwelt oder Tiere oder Menschen. Und die andere Kategorie sind eben menschengemachte Dinge, also vor allen Dingen Maschinen, die irgendwie einen Rhythmus in sich haben. Und in der Stadt, ein Erlebnis aus meiner Kindheit, was mich jedes Mal beschäftigt, wenn ich auch durch die Straßen gehe, war: Als ich über eine riesige Kreuzung zur Schule gehen musste und auf der Kreuzung gab es viele Verkehrsinseln, auf denen mehrere Ampeln nebeneinander standen. Und diese Ampeln hatten alle diese Klicks drin, also für Blinde. Und wenn dann so fünf, sechs Ampeln nebeneinander standen und die alle geklickt haben, dann war das für mich als angehender Schlagzeuger eben ein totales Rhythmus-Fest, weil da wirklich extrem faszinierende Polyrhythmen entstanden sind und das hat mich total fasziniert. Wenn man darauf achtet, sind das total spannende Rhythmen.

Welche Geräusche nehmen Sie wahr, wenn Sie durch die Stadt laufen?

Das kommt auch immer auf mich eigentlich drauf an. Aber wenn man in der entsprechenden Stimmung ist, kann man interessante Sachen hören, die dann faszinierend und inspirierend sind. Ja, vor ein paar Wochen saß ich mich zwei anderen Schlagzeug-Kollegen vor einem Vietnamesen und direkt nebenan war eine riesige Baustelle. Die Bauarbeiter haben da gerade das Baugerüst aufgebaut. Das war ziemlich laut und eigentlich auch irgendwie unangenehm, aber auf der anderen Seite eben total faszinierend, weil die haben da wirklich mit Inbrunst da irgendwie diese Metallstifte reingeschlagen und jeder in seinem eigenen Tempo. Und dadurch sind eben auch so rhythmische Strukturen entstanden, also hochkomplex eigentlich, wenn man das analysieren würde. Das war total faszinierend, das so auf diese Art und Weise zu sehen. Auch wenn es zwischendurch auch wirklich mal nervig war. Es war einfach laut, man konnte sich nicht mal unterhalten, nur wenn man das auch mal so betrachtet, ist es eben auch total spannend.

Bauen Sie diese Geräusche in Ihre Kompositionen mit ein?

Mit Sicherheit, ja. Also, ich glaube aber eher unbewusst. Alles, was ich wahrnehme, das speichert sich ja irgendwo in meinem Kopf ab und dann kommt das manchmal dann unbewusst – wenn ich kreativ bin, also wenn ich irgendwie ein Stück schreibe – da kommt das dann irgendwo hervor. Ich erkenne das dann manchmal nicht als solches: Manchmal weiß ich gar nicht, wo das herkam. Das kommt dann halt irgendwo her, aber manchmal kann ich das dann so lokalisieren später und merke dann, aha, okay, vor zwei Jahren war ich eben dann da auf der Baustelle und hab das da gehört. Und das kommt dann jetzt irgendwie raus, in einer anderen Form oder vermischt sich dann mit eigenen persönlichen Erfahrungen und so weiter. Also insofern: Eigentlich alles, was ich erlebe, kommt dann wahrscheinlich letztendlich dann irgendwie auch auf die Bühne – irgendwann mal.

Vielen Dank!

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