Die Fußgängerzone als Bühne
Fotograf Stefan Zahm porträtierte für seine Diplomarbeit 160 Klangkünstler. Er erklärt, was ihn an Straßenmusikern so fasziniert und auf welche regionalen Unterschiede innerhalb Deutschlands er gestoßen ist.
Gerne können Sie das Interview redaktionell verwenden. Bitte kontaktieren Sie bei Interesse presse(at)wissenschaftsjahr-zukunftsstadt.de.
Im folgenden das Interview im Wortlaut:
Was hat Sie an dem Thema Straßenmusiker fasziniert?
Also, das Thema Straßenmusik habe ich mir ausgewählt, einmal, weil ich selbst Hobby-Musiker bin und generell auch Menschen gerne beim Musizieren zuschaue. Dann ist mir auch bewusst geworden, dass die Straßenmusik mich immer wieder zum Stehenbleiben gebracht hat und mich aus dem Alltag gerissen hat und mir einfach für den Rest des Tages gute Laune gegeben hat. Und da habe ich mir überlegt, okay, wer sind denn diese Menschen, diese Straßenmusiker, wo kommen die her, warum machen die Straßenmusik und sind das Bettler oder machen die das aus Überzeugung? Und da habe ich in meiner Arbeit sie porträtiert und den Fokus auf den Menschen eben gelegt.
Zu welchem Ergebnis kamen Sie? Klangbettler oder Klangkünstler?
Also, grundsätzlich war ich sehr überrascht über das professionelle Niveau der Straßenmusiker und auch wie viele Vollzeit-Straßenmusiker es gibt, die das also wirklich ausschließlich machen. Und da habe ich eben öfter auch mitbekommen, dass es jetzt keine Bettler sind, sondern eben die vorher in einem Engagement oder in einem Orchester gespielt haben und dann irgendwann gesagt haben, ich habe keine Lust mehr, ich möchte diesen Termindruck und diese Wartezeiten und so weiter nicht mehr haben. Ich möchte jetzt in Freiheit das machen, was mir Spaß macht, eben die Musik, möchte reisen, möchte vielleicht auch entdeckt werden und berühmt werden, da gibt es verschiedene Motive, warum die das machen. Aber es ist schon eher ein Job als jetzt so arme Schlucker, die man als Bettler bezeichnen müsste.
Welche Begegnungen haben Sie besonders beeindruckt?
Aus musikalischer Sicht fällt mir da immer wieder ein Straßenmusiker aus Berlin ein, der so ein Sammelsurium aus Töpfen und Dosen und Gläsern und Deckeln, also so Krimskrams vor sich ausgebreitet hat und da Rhythmen darauf gespielt hat mit so zwei Sticks, hat er einen wahnsinnigen schnellen Rhythmus hingelegt, der wirklich beeindruckend war. Ein anderer Straßenmusiker, der mich sehr beeindruckt hatte, war ein Saxophonist aus Leipzig, der jetzt weniger auf Einnahmen abgezielt hat, sondern mehr auf die Qualität und auf die Klangentfaltung. Der ist also eben nach Feierabend, in die Fußgängerzone gegangen und hat dort Saxophon gespielt und hat eben für die Leute gespielt – und hat dann eben auch Leute zum Teil angespielt und versucht, in so eine Art Dialog mit den Leuten zu treten. Das fand ich sehr interessant.
Sie sind ja für Ihre Recherche durch ganz Deutschland gereist. Auf welche regionalen Unterschiede sind Sie gestoßen?
Also, mein Eindruck war unter anderem, dass es teilweise abhängig ist auch durch die Regulierung der Stadt. Jede Stadt hat so seine Eigenheiten in Regulierung von Uhrzeiten, Musikstile und so weiter. Teilweise sind die sehr kompliziert und anstrengend, das ist dann eher abschreckend, für Straßenmusiker und teilweise ist es dann sehr locker wie jetzt zum Beispiel in Berlin, wo eigentlich alles erlaubt ist, da ist die Vielfalt sehr groß, das fand ich sehr, sehr toll. Etwas anders läuft es in München, da ist die Regulierung sehr streng, da findet eine sehr hohe Selektion statt, in dem die Straßenmusiker jeden Morgen sehr früh vorspielen müssen, was sie können, was sie so spielen – und dann wird eben entschieden, ob sie spielen dürfen oder nicht.
Wie hat sich durch Ihre Arbeit Ihr Blick auf Straßenmusiker verändert?
Grundsätzlich habe ich noch mehr Respekt vor den Straßenmusikern, weil es einfach mir noch mal bewusst geworden ist, wie anstrengend diese Arbeit ist, die gute Laune, die sie immer verbreiten müssen, um eben auf ihr Tagesgeschäft zu kommen. Aber das Vorurteil, dass Straßenmusiker Bettler sind oder arme Schlucker sind, hat sich jetzt allerdings nicht bestätigt, sondern das sind schon Menschen, die Freude am Leben haben und die diesen Beruf bewusst gewählt haben und daher auch Spaß daran haben. Ansonsten möchte ich auch gerne dazu aufrufen, dass Menschen in den Straßen wieder mehr der Musik zuhören. Also ihre Kopfhörer abziehen, stehenbleiben und neue Musikrichtungen kennenlernen, neue Musikstile und sich einfach von der Straßenmusik aus dem Alltag entführen lassen.
Vielen Dank!
Weiterempfehlen
Wir freuen uns, wenn Sie unsere Online-Banner auf Ihrer Website einbinden und auf www.stadtklang2015.de verlinken.
Kommentare (0)
Keine Kommentare gefunden!