Wildtiere erobern die Stadt

So prägen Waschbären, Füchse und Co. das Stadtbild

Derk Ehlert ist Mitarbeiter der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt in Berlin. Er erzählt, wie Tiere ihre Kommunikation der Geräuschkulisse in Städten anpassen.

Gerne können Sie das Interview redaktionell verwenden. Bitte kontaktieren Sie bei Interesse presse(at)wissenschaftsjahr-zukunftsstadt.de.

Im folgenden das Interview im Wortlaut:

Derk Ehlert

Welche Wildtiere leben in einer typischen deutschen Stadt?

Wildtiere und typisch deutsch, das sind zwei Begriffe, die schon schwierig zu definieren sind. Wildtiere, das sind ja Ameisen bis hin letztlich zu Wildschweinen, also alleine das sind schon mehrere tausend Arten, die da in Frage kommen. Wir wissen von ungefähr 20.000 Tier- und Pflanzenarten, die allein in Berlin mindestens vorkommen und in anderen Städten vielleicht etwas weniger aber auf alle Fälle genau so viel interessante. Ausgefallene Beispiele sind der Waschbär in Kassel, das sind in Wiesbaden die Halsbandsittiche und das ist natürlich auch das Wildschwein in Berlin.

Woran liegt es, dass immer mehr Wildtiere in die Städte ziehen?

Zum einen sind es, wenn man mal sich genau die Arten anschaut, vor allem die anpassungsfähigen Arten, die sich quasi dann als Generalisten auch in einer Stadt behaupten können. Zum anderen sind es durchaus auch attraktive Lebensräume, die Stadt als solche ist nicht lebensfeindlich, sonst würden wir ja auch nicht darin leben, die ist durchaus attraktiv, sie bietet Futter, sie bietet sehr viel Verstecke und sie bietet Schutz zum Beispiel vor Jägern. Ich sehe jedenfalls selten in einer Großstadt Jäger rumlaufen. Das sind alles alleine Gründe, warum schon Tiere in die Stadt kommen. Ein anderer weiterer wichtiger Grund ist, das ist eine Art Landflucht. Es gibt etliche Tierarten, die auf dem Land lebten, aber inzwischen durch die intensive Landwirtschaft, durch die Monokultur und die Agrarstruktur und durch den hohen Einsatz von Herbiziden, Insektiziden, die Tiere keinen Lebensraum mehr haben und dann quasi Landflucht betreiben und neue Lebensräume erobern müssen – und das ist die Stadt.

Inwieweit werden Wildtiere durch den Klang und auch die Lautstärke in der Stadt beeinflusst?

Na, erheblich! Sie bewegen sich schon zu einer anderen Zeit als das die Tiere in der freien Natur machen, im Wald oder auf einem Feld, sie passen sich entsprechend an. Sind die Wildschweine in der freien Landschaft bei voller Dunkelheit aktiv, ist es in der Stadt häufig dann räumlich bedingt, entweder etwas eher oder etwas viel später. Oder ganz typisch übrigens in Großstädten kann man sehen, dass wenn die Tagesthemen vorbei sind, wenn der letzte Gassi-geführte Hund wieder zu Hause ist, dann tobt das Leben, dann gehen die Tiere los, dann ist kein Halten mehr, dann ist auch keine Gefahr. Nicht der Mensch, sondern die Hunde sind alle wieder bei Herrchen und Frauchen zu Hause und dann tobt das wilde Leben in der Stadt.

Welche Probleme bringen die Wildtiere mit sich?

Ist immer interessant, dass wir von Problemen sprechen, wenn die Tiere in die Stadt kommen, dabei ist es gar keins, also kein Problem für die Tiere. Für uns dann schon etwas Merkwürdiges, wenn wir plötzlich vor Wildtieren stehen, die wir vermeintlich eigentlich nur im Wald sehen wollen. Dazu gehört der Fuchs, da gehört das Wildschwein zu. In den Kinderbüchern haben wir noch gelernt, dass die gar nicht in der Stadt vorkommen, aber die halten sich nicht an Kinderbücher und die halten sich auch gar nicht an Gesetze. Die machen, was sie wollen, die finden die Stadt viel interessanter. Problem für uns, dass wir uns daran gewöhnen müssen. Wir brauchen Zeit umzulernen, die Kinderbücher umzuschreiben und auch uns anzupassen, dass eben wir nicht mehr erschrecken, wenn ein Fuchs vor uns steht, sondern letztlich es genießen. Es ist schön zu sehen, dass die Natur wenigstens ein bisschen in die Stadt kommt, wenn wir schon nicht mehr in die Natur gehen.

Inwieweit haben Tiere ihre Kommunikation angepasst?

Das Spannende an den Tieren in der Stadt ist, dass sie sich auch an den Lärm angepasst haben und anders rufen, früher aktiv sind, auch im Raum-Zeit-Verhalten eine Veränderung zeigen gegenüber den gleichen Arten in der freien Feldflur und auch lauter rufen und auch versuchen, sich dem Umfeld anzupassen. Beispielsweise bei Füchsen an einer Autobahn ist es ganz klar so, dass sie anders bellen, lauter bellen und eben zur Paarungs- und Drangzeit bestimmte Plätze meiden, nämlich die, wo es besonders laut ist und wo die ähnlichen Frequenzen zu hören sind, die sie selber rufen.

Vielen Dank!

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