Das Jahr der Mathematik - Wissenschaftsjahr 2008 Hanoi und deutsche Kirchenglocken

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Hanoi und deutsche Kirchenglocken

Helmut Schnitzspan führt ein ganzes Jahr lang durch Turmetagen.

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Was haben Kirchtürme und die „Türme von Hanoi“ gemeinsam? So gut wie gar nichts, möchte man meinen. Doch im mathematischen Schaffen von Helmut Schnitzspan stellen die christlichen Bauwerke und das fernöstlich anmutende Geduldsspiel wichtige Wegmarken dar. Schon im Schulalter entdeckte der heute 61-Jährige die Gaußschen Dreieckszahlen für sich – er suchte nach einer eleganten Methode, die Anzahl der Schläge einer Kirchenglocke pro Tag zu berechnen. „Das war mein erstes mathematisches Erlebnis“, erinnert sich Helmut Schnitzspan. Heute, rund ein halbes Jahrhundert später, bemüht sich der Informatikprofessor, seinen Studenten zu einer ähnlich eindrücklichen Begegnung mit der Wissenschaft zu verhelfen – mit den Türmen von Hanoi.

Der Hochschullehrer hat das Geduldspiel zu seinem Assistenten gemacht – und ein Modell der Türme von Hanoi mit drei Stäben und acht Scheiben aufsteigender Größe in der Fachhochschule Mannheim aufgestellt. Nun ist es Aufgabe der Studenten, die Knobelei zu bewältigen – und mathematisch nachzuvollziehen. Und das ist gar nicht so einfach. Denn ganz nach dem Willen Edouard Lucas’, des französischen Erfinders des Spiels, darf immer nur eine Scheibe bewegt und auf einer größeren Scheibe oder dem Boden niedergelegt werden. Ziel ist es, den asiatischen Pagoden ähnelnden Stapel – daher auch der Name – von einem Stab komplett auf einem anderen zu platzieren. „Das mathematische Verfahren dahinter nennt sich ‚Rekursion’“, erläutert Helmut Schnitzspan.

Rekursion – ein kompliziertes Prinzip, das sich jedoch anschaulich darstellen lässt: Tag für Tag legt Helmut Schnitzspan eine Scheibe um. Bei optimaler Zugeinteilung dauert es 255 Tage bis alle Scheiben ordnungsgemäß auf einem anderen Stab ankommen. „Natürlich lässt sich das Spiel auch noch verkomplizieren“, sagt der engagierte Professor. Etwa durch die Einbindung eines vierten Stabes oder die Festlegung, dass jede Zwischenstellung der Scheiben lediglich ein einziges Mal eingenommen werden darf. Die Berechnungen, die hinter den einzelnen Zügen stehen, will Helmut Schnitzspan einer mathematisch interessierten Öffentlichkeit im Internet zugänglich machen.

Und auf Interesse dürfte Helmut Schnitzspans Beitrag im Jahr der Mathematik sicher stoßen. Denn geheimnisvoll sind die Türme von Hanoi nicht nur aufgrund der mathematischen Rätsel, die sie bergen. Auch die Legende, mit der Lucas Ende des 19. Jahrhunderts das Spiel auf den Markt brachte, ist mysteriös: Der hinduistische Gott Brahma, so erzählte Lucas damals, habe einer Gruppe von Priestern aufgetragen, einen „Turm von Hanoi“ mit 64 goldenen Scheiben zu verschieben. Mit der Lösung der Aufgabe würde die Welt untergehen. „Keine Sorge“, schmunzelt Helmut Schnitzspan, „bis dahin bleibt noch viel Zeit.“ Denn geht man davon aus, dass jede Sekunde eine Scheibe umgelegt wird, dauert es bis zum jüngsten Tage noch genau 580 Milliarden Jahre – und das auch nur, wenn alle Steine optimal gesetzt werden.


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