Zum Wissenschaftsjahr 2018

Das Blaue Telefon: Ihre Fragen zum Thema Meere und Ozeane

Es ist, bildlich gesprochen, so blau wie der Ozean weit draußen auf hoher See: das Blaue Telefon. In der gleichnamigen Rubrik beantwortet die Zeitschrift mare, Medienpartner des Wissenschaftsjahres 2016*17, in Zusammenarbeit mit MARUM, dem Bremer Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, in jeder Ausgabe Fragen ihrer Leser. 

Wenn auch Sie eine Frage ans Blaue Telefon haben, schreiben Sie eine E-Mail an wat(at)mare.de.


Bei einer Segeltour nach Nordost-Grönland habe ich die uralten Sedimentgesteine entlang der Fjorde bewundert. Gibt es eigentlich Bohrkerne aus der Region?

Spätestens seit den Zeiten Nansens und Wegeners ist Ostgrönland ein vielversprechendes Ziel wissenschaftlicher Expeditionen. Etwa, wenn es um grundlegende Forschungen zur Klima- und Umweltgeschichte geht. Mit Forschungsschiffen wie der Polarstern werden deshalb Sedimentproben in ostgrönländischen Fjorden gewonnen. Aber auch Seesedimente sind von Interesse.

So reiste ein dänisch-deutsch-holländisches Forscherteam auf die Insel Store Koldewey, um an Hand von Seeablagerungen den nacheiszeitlichen Rückzug des Inlandeises zu rekonstruieren. Expeditionen des internationalen Ozeanbohrprogramms ODP erbohrten mit Hilfe des BohrschiffsJOIDES Resolution wenige Seemeilen vor der ostgrönländischen Küste Hunderte Meter Basaltgestein. Damit ergründeten Wissenschaftler die von heftigen vulkanischen Eruptionen geprägte Geburt des Atlantiks. Auf einem ganz anderen Blatt stehen Expeditionen im Zeichen der Erdöl-Exploration. Seit 2008 fanden dazu in Nordost-Grönland alljährlich Feldkampagnen von drei bis sechs Wochen Dauer statt, die Bohrkerne von bis zu 235 Meter Länge erbrachten. Hier kooperieren Ölmultis u.a. mit dem Geologischen Dienst Dänemarks und Grönlands. Das politische Ziel dahinter ist klar: Grönland strebt nach mehr politischer Unabhängigkeit. Öldollars sind dazu willkommenes Mittel zum Zweck.


Wie wirkt sich Last des grönländischen Inlandeises auf die Insel aus?

Mit einer Mächtigkeit von durchschnittlich 1.500 Metern bedeckt das Inlandeis vier Fünftel Grönlands. Die durch die Masse der etwa 2,9 Millionen Kubikkilometer Eis erzeugte Last drückt Teile der Insel unter Meeresspiegelniveau. Einige Bereiche des vom Inlandeis bedeckten Zentralgrönlands liegen laut geophysikalischen Untersuchungen mehrere Hundert Meter unterhalb des Meeresspiegels.

Der Rekordwert wird an der mittleren Westküste erreicht: „Am Eisfjord von Ilulissat liegt die grönländische Erdkruste etwa 1.500 Meter unter Meeresniveau“, sagt Ole Bennike vom Nationalen Geoforschungsdienst für Dänemark und Grönland. Wer an Grönlands Küsten wandert, kann alte Strandlinien entdecken, die deutlich über Meeresniveau liegen. Sie sind vor etwa 10.000 Jahren am Ende der letzten Eiszeit entstanden als das Land noch tiefer lag. Seitdem ist das Eis auf dem Rückzug - in den letzten Jahr schmilzt es stärker denn je. Durch diese Entlastung taucht Grönland wieder auf. In einigen Bereichen der West- und Ostküste beträgt die nacheiszeitliche Hebung bis zu 170 Meter. Die höchsten Strandlinien findet man allerdings nur 120 Meter über dem Meer, da der Meeresspiegel inzwischen um 50 Meter angestiegen ist. William Colgan, ein Kollege Bennikes, vermutet, dass Grönland sich um bis zu 900 Meter heben würde, falls das gesamte Inlandeis abschmölze.


Wie werden extrem tiefe Temperaturen in Arktis und Antarktis gemessen?

Klassische Quecksilberthermometer funktionieren bei sehr tiefen Temperaturen nicht, da Quecksilber bei -38°C einfriert. Mit besonderen Zugaben kann man das Einfrieren noch auf -58°C verschieben, aber auch das reicht speziell für die Zentralantarktis nicht aus.

Alternativ werden meist Widerstandsthermometer eingesetzt, häufig sogenannte PT100. Es handelt sich dabei um Sensoren aus einem dünnen Platindraht, der zum Schutz zum Schutz vor mechanischer Zerstörung bzw. vor Schmutz und Feuchtigkeit oft in Glas oder Keramik eingegossen ist. Bei 0°C hat ein PT100 einen Widerstand von 100 Ohm. Dieser reduziert sich pro Grad um ca. 0.385 Ohm. Bei -100°C hat ein PT100 laut DIN EN 60751 nur noch einen Widerstand von 60.26°C. Obwohl diese geringe Widerstandsänderung pro Grad nur von sehr guten Messinstrumenten auf 1/100stel Grad aufgelöst kann, werden Platinthermometer aufgrund ihrer Langzeitstabilität oft anderen - auf Halbleiter basierenden - Thermistoren vorgezogen.

„Messungen mittels PT100 können im Gegensatz zu denen mittels klassischen Quecksilberthermometern leicht automatisiert werden“, sagt Polarmeteorologe Dr. Gert König-Langlo vom Alfred-Wegener-Institut Bremerhaven und Leiter des meteorologischen Obervatoriums an der deutschen Antarktis-Forschungsstation Neumayer-Station III. „Auf der deutschen Antarktis-Station Neumayer liegen momentan z.B. alle 5 Sekunden Temperaturdaten vor. Der bisherige Kälterekord von -50.2°C wurde am 8. Juli 2010 gemessen.“ – Erheblich kälter wird es regelmäßig im Inneren der Antarktis. Die kälteste je auf Erden gemessene Lufttemperatur beträgt -89.2°C, erfasst am 21. Juni 1983 an der russischen Antarktis-Station Wostok.


Ist es gefährlich, während eines Gewitters zu tauchen?

Manche wollen bei Gewitter am liebsten abtauchen und sich vor Blitz und Donner unter der Bettdecke verstecken. Doch was passiert, wenn ein Blitz in der Nähe eines Tauchers einschlägt? Immerhin kann sich die Luft dabei bis auf 40.000 Grad Celsius erhitzen und bis zu 500 Millionen Volt Spannung aufweisen. Die elektrische Spannung gefährdet den Taucher allerdings nur, wenn er sich gerade an der Wasseroberfläche aufhält. Dann nämlich dient sein Körper als Spannungsbrücke zwischen der schlecht leitenden Luft und dem gut leitenden Wasser. Noch 100 Meter von einer Einschlagstelle entfernt ähneln die Folgen für den Taucher denen eines Blitzschlags an Land.

Unter Wasser ist er vor der Entladung geschützt, da Strom sich immer den Weg des geringsten Widerstandes sucht – und der führt durchs Wasser und nicht durch den Taucher. Die Gefahr eines nahen Blitzschlags unter Wasser liegt woanders: Die enorme Hitze des Blitzes lässt das Wasser an der Einschlagstelle im wahrsten Sinn des Wortes blitzschnell verdunsten. Das ist etwa so, als ob bis zu 100 Tonnen Sprengstoff explodieren. Die Druckwelle kann alle luftgefüllten Räume im Körper des Tauchers platzen lassen. Im schlimmsten Fall führt sie zu einem Lungenriss und Ohnmacht, was unter Wasser meist tödlich ist. Daher sollte man bei Gewitter doch lieber unter einer Bettdecke abtauchen.