Wissenschaftsjahr 2007 - Geschichte

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Geschichte

Tradition

Seit  Herodot, dem "Vater der Geschichtsschreibung", hat es eine kontinuierliche Tradition der Geschichtsschreibung gegeben. Auch wenn die altgriechischen Wegbereiter vornehmlich darauf aus waren, an die großen Taten der Vergangenheit zu erinnern, orientierten sie sich an Fakten, nicht an Fiktion. Nicht die Fortschreibung des Mythos war relevant, sondern die Dinge, so wie sie tatsächlich geschehen sind. Diesen Ansatz haben sie mit dem akademischen Fach "Geschichtswissenschaft" gemein, dessen Geburtsstunde in das frühe 19. Jahrhundert fällt. Der berühmte deutsche Historiker Leopold von Ranke skizzierte die Aufgabe der Geschichtswissenschaft so: "Man hat der Historie das Amt, die Vergangenheit zu richten, die Mitwelt zum Nutzen zukünftiger Jahre zu belehren, beigemessen; so hoher Ämter unterwindet sich gegenwärtiger Versuch nicht: er will bloß sagen, wie es eigentlich gewesen."

Methode

Zeigen, wie es eigentlich gewesen ist - das allein ist schon eine anspruchsvolle Aufgabe. Je tiefer man in den Sedimenten der Vergangenheit bohrt, desto weniger Anhaltspunkte, die über die damaligen Ereignisse oder Strukturen Auskunft geben könnten, stehen zur Verfügung. Diese so genannten Quellen können als antike Vasen daherkommen oder - mit etwas Glück - als schriftliche Zeugnisse, wie etwa Cäsars Buch über den gallischen Krieg. Dem Historiker obliegt es nun, diese Quellen kritisch zu interpretieren. Ähnliches gilt auch für zeitgenössische Memoiren oder Biografien: Nichts für bare Münze nehmen, sondern mit anderen Zeugnissen vergleichen und gegebenenfalls auf Plausibilität überprüfen. Kurz: Die Aufgabe des Historikers besteht darin, die Überlieferungen aus der Vergangenheit kritisch zu deuten und daraus ein Bild der damaligen Zeit zu entwerfen.

Disziplinen

Die Geschichte gliedert sich in Anlehnung an gängige Periodisierungen in einzelne Disziplinen: Die Alte Geschichte steht in enger Verbindung zur klassischen Philologie, zur klassischen Archäologie und zur Orientalistik. Die Geschichte des Mittelalters ist uns vor allem aufgrund handschriftlicher Überlieferungen zugänglich. Die Neuere Geschichte setzt je nach Lehrmeinung mit der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus, der Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg oder der Reformation im frühen 16. Jahrhundert ein. Ab 1789 - dem Jahr des Sturms auf die Pariser Bastille - sprechen wir von der Neuesten Geschichte, seit dem 1. Weltkrieg von der Zeitgeschichte, die ihrerseits wieder in engem Zusammenhang mit der Politikwissenschaft steht. Thematische Schwerpunkte setzen die Wirtschafts- und die Sozialgeschichte, während die Westeuropäische Geschichte oder Weltgeschichte mit geografischen Gesichtspunkten arbeiten.

Betrachtungsspektrum

Genau wie die Geschichte unterliegt auch die Geschichtswissenschaft dem zeitlichen Wandel. Das gilt vor allem für den Betrachtungsgegenstand des Geschichtswissenschaftlers. Die Historiker des 19. Jahrhunderts interessierten sich in erster Linie für den Ablauf der politischen Ereignisse und für die Taten der "großen Männer", wie sie der Historiker Heinrich Treitschke im Blick hatte. Später erweiterte sich der Gegenstand der Geschichtsforschung. Man begann, sich nicht nur für die Taten großer Könige oder Politiker zu interessieren, sondern nahm nun breitere Bevölkerungsschichten in den Blick. Diese Art der Sozialgeschichte war naturgemäß viel umfassender angelegt als die politische Ereignisgeschichte. Dieser Ansatz - in Deutschland als "Historische Sozialwissenschaft" bezeichnet - nutzte quantitative Methoden - etwa Statistiken - um ihr Bild der Vergangenheit zu entwickeln. Diese Generation Geschichtswissenschaftler warf ihren mit Kriegen und Königen befassten Vorgängern vor, nur wenig wissenschaftlich gearbeitet zu haben. Zuviel Erzählung, zu wenig Analyse, lautete im Kern ihre Kritik.

Offene Fragen

Beiden Ansätzen ist jedoch gemein, dass sie von ihrem Vermögen, die Geschichte objektiv zu rekonstruieren, fest überzeugt sind. Solange man nur tief genug bohrt, solange man die Quellen sorgsam interpretiert, besteht die Möglichkeit, zu erkennen, wie sich die Dinge in Wahrheit zugetragen haben. Dieser Erkenntnisoptimismus ist in jüngster Zeit einer gewissen Skepsis gewichen. Zum einen ist in Zweifel gezogen worden, dass der Lauf der Geschichte überhaupt einen Sinn besitzt. Sind Zufall und Irrationalität nicht auch treibende Elemente des menschlichen Handelns - heute wie damals? Wenn dem so ist, dann kann auch die Vergangenheit nicht mehr nur als stringent lineare Abfolge einander bedingender Handlungen oder Ereignisse betrachtet werden. Und ist es zum anderen nicht vermessen zu glauben, der Historiker könne sich von dem Zeitalter, in das er hinein geboren wurde, frei machen und gewissermaßen ohne Ballast in die Vergangenheit reisen? Nein, der Geschichtswissenschaftler ist ein Kind seiner Zeit und wird von ihr - bewusst oder unbewusst - beeinflusst. Das färbt natürlich auch auf seine Beurteilung zurückliegender Ereignisse und Handlungen ab. "Was ihr den Geist der Zeiten heißt/Das ist im Grund der Herren eigner Geist", heißt es bei Goethe.


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