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Forschungsfragen aus Kehl

Wie beweglich ist Europa?

Kehl Bild in der Großansicht Europa ist am Oberrhein auf zwei Arten in Bewegung, zum einen geologisch: Die Oberrheinische Tiefebene ist ein Gebiet, das von Geologen, Geographen und Seismologen als Grabenbruch bezeichnet wird. Der vor Millionen von Jahren entstandene Graben und die angrenzende Region verzeichnet bis heute eine erhöhte Seismizität, wenn die Erdbeben auch von geringer Stärke sind. Zum anderen ist Europa am Oberrhein durch seine Position als Grenzgebiet zwischen Deutschland, Frankreich und der Schweiz in Bewegung. Politische, wirtschaftliche und sozialkulturelle Veränderungen bewegen gerade den Lebensalltag der Menschen in der Grenzregion: Das Schengener Abkommen, das 1985 von den ersten europäischen Nationen unterzeichnet wurde, ermöglicht freies Reisen durch viele Länder. Auch die Einführung des Euro bringt Bewegung in das Miteinander der Menschen und vereinfacht ihren Alltag.

Ideen und Innovationen erhalten die Beweglichkeit Europas an und entstehen häufig dort, wo die Vielfalt Europas offensichtlich wird, wo die Menschen zweier Länder in direkter Nachbarschaft leben. So auch in Kehl: Der Alltag der Menschen dies- und jenseits des Rheins überschreitet die nationalen Grenzen in vielen Punkten. Kinder, die in Kehl leben, gehen in Straßburg zur Schule und besuchen nachmittags ihre französischen Freunde, deren Eltern in Kehl arbeiten. Eine zweisprachige Berufsausbildung im Einzelhandel macht Jugendliche mit der Sprache und dem Arbeitsmarkt beider Länder vertraut und eröffnet ihnen viele Chancen für ihre berufliche Zukunft. Wer zum Einkaufen, für kulturelle Veranstaltungen oder zur Arbeit über die Grenze gehen möchte, kann dies schnell und bequem zu Fuß oder mit dem Fahrrad tun: Dort, wo sich früher feindliche Truppen gegenüberlagen, führt seit 2004 die Fußgängerbrücke "Passerelle des deux Rives" über den Rhein. Wer auf der Plattform in der Mitte der Brücke steht, hat das Gefühl, sich direkt im Herzen Europas zu befinden

Verschiedene Akteure – von den Verwaltungen bis hin zu Bürgervereinen – setzen sich in der Grenzregion für eine beständige Vereinfachung des alltäglichen Miteinanders ein. Gemeinsam haben sie unter anderem den Eurodistrikt Straßburg-Ortenau ins Leben gerufen. Innerhalb dieser Modellregion wird kontinuierlich daran gearbeitet, festgefahrene Grenzen und Meinungen zu lockern, aber auch ganz konkrete Barrieren, die das tägliche Leben erschweren, zu entfernen. Beratungsangebote zu Themen wie Versicherungen, Jobsuche oder Verbraucherschutz sind speziell auf die Besonderheiten eines Lebens zwischen den Grenzen ausgerichtet.

Mit einem weiteren Schritt, der buchstäblich die Bewegung zwischen den europäischen Nachbarstaaten Frankreich und Deutschland am Oberrhein erleichtern soll, beschäftigen sich derzeit Stadtplaner, Ingenieure und Politiker beider Länder: Sie planen die Fortführung einer Straßburger Tramlinie über den Rhein hinweg bis nach Kehl. Von dieser zukunftsweisenden Neuerung werden nicht nur Pendler, Touristen und der Einzelhandel profitieren, sie zeigt darüber hinaus, wie der Brückenschlag über Grenzen hinweg möglich ist. Auch jenseits der Plattentektonik erweist sich Europa so als ein beweglicher Kontinent, der stets neue Wege geht und nicht in festgefahrenen Denkmustern erstarrt.

Halten sich Abgase an Staatsgrenzen?

Luftverschmutzung bezeichnet die veränderte Zusammensetzung der natürlichen Luft – zum Beispiel durch Staub, Gase oder Dämpfe. Die räumliche Ausbreitung von Emissionen wird durch natürliche (Wetter, Tages- und Jahreszeiten) und künstliche Faktoren (Industrie, Verkehr, Landwirtschaft) beeinflusst. Die systematische Erforschung, Messung, Bewertung, Regulierung und schließlich auch Minderung der Emissionen steht im Zentrum der Luftreinhaltepolitik – regional, bundesweit und international.

Als 1986 die Nuklearkatastrophe in Tschernobyl die ganze Welt in Angst versetzte, hatte man an der deutsch-französischen Grenze bei Kehl den Eindruck, dass die radioaktive Wolke sich von der französischen Staatsgrenze aufhalten ließe. Während diesseits des Rheins die Salatköpfe untergepflügt wurden und man den Sand auf den Spielplätzen austauschte, spielten die französischen Kinder weiter draußen und der Belastung des Gemüses wurde kaum Beachtung geschenkt. Auch wenn man durchaus von einer lokalen oder regionalen Luftverschmutzung sprechen kann, so halten sich Schadstoffe in der Luft nicht an Ländergrenzen. Im deutsch-französischen Großraum Kehl-Straßburg wird deutlich, dass Wissenschaft, Wirtschaft und Politik gemeinsam an der Herausforderung, die Luftqualität zu erhalten bzw. verbessern, arbeiten können:

Zahlreiche Industrieunternehmen sind vor allem in den Hafengebieten an beiden Rheinseiten angesiedelt. Bis zu 40.000 Autos und Lastwagen wälzen sich jeden Tag über die Europabrücke. Um die so entstehenden Umweltbelastungen sowohl für die ortsansässige Bevölkerung als auch für das Gesamtklima gering zu halten, arbeiten Wissenschaftler von deutschen und französischen Umweltinstitutionen längst gemeinsam an einem grenzüberschreitenden Luftreinhalteplan. Einzelne Unternehmen sollen darüber verpflichtet werden, nicht nur die gesetzlichen Grenzwerte einzuhalten, sondern alles technisch Machbare in Gang zu setzen, um sowenig Schadstoffe wie möglich auszustoßen.

Die Experten der Gesellschaft zur Überwachung der Luftbelastung im Elsass (ASPA) und der baden-württembergischen Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW) bereiten außerdem eine großangelegte Datenerfassung der aktuellen und in Zukunft zu erwartenden Schadstoffemissionen vor. Auf der Grundlage dieser Daten sollen bald Vorher-Nachher-Simulationen möglich sein, die zeigen, inwieweit eine einzelne Verschmutzungsquelle die Luftqualität verändert. Mit diesem Instrument haben Wissenschaftler und Politiker die Möglichkeit, bei der Entscheidung über Erweiterungen und Neuansiedelungen von Industrieunternehmen sowie bei der Verkehrsplanung und Straßenführung die Gesamtbelastung der Luft in der deutsch-französischen Industrieregion im Blick zu behalten.


Die Forschungsfragen wurde beantwortet von: Pressestelle der Stadt Kehl


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