Von der Giftsuppe zum Badefluss

Von der Giftsuppe zum Badefluss

In Entwicklungen und Projekte rund um die Elbe eintauchen!

Meere und Ozeane: Wissenschaftsjahr - Bundesministerium für Bildung und Forschung

Von der Giftsuppe zum Badefluss

Biologische Verödung, Fischsterben, Fäulnisprozesse, Geruchsbelästigung: Die Elbe glich 1990, zum Ende der DDR, einer Kloake aus Giftmüll und Abwasser. Die ungenügend oder nicht behandelten kommunalen, landwirtschaftlichen und industriellen Abwässer waren Hauptursache der Verschmutzung. Heute hat der 1.091 Kilometer lange Fluss an vielen Stellen Badewasserqualität erreicht. Wie konnte dieser enorme Wandel vonstatten gehen?

In der Zeit der deutschen Teilung, zwischen 1949 und 1989, brachten Schwermetalle, hochgiftige chlorierte Kohlenwasserstoffe und Nährstoffbelastung die Fischerei zum Erliegen und beeinträchtigten Trinkwasserversorgung und die Bewässerung der Äcker. Auch die Nebenflüsse der Elbe und die Nordsee waren verschmutzt. Ende 1989 nannte der „Spiegel“ das Wasser der Elbe „Giftsuppe“. Das Magazin berief sich auf eine Studie des DDR-Umweltministeriums, wonach die Belastung der Elbe mit Schwermetallen um ein Vielfaches über den Höchstwerten der europäischen Trinkwasserrichtlinie lag.

Sanierung scheinbar aussichtslos

25,7 Millionen Menschen lebten und arbeiteten im Einzugsgebiet der Elbe. Auch deshalb bestand die dringende Notwendigkeit, die Elbe nachhaltig zu sanieren. Deutschland, die damalige Tschechoslowakei und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gründeten 1990 die bis heute bestehende Internationale Kommission zum Schutz der Elbe (IKSE). Ihre Ziele: die Gewinnung von Trinkwasser ermöglichen, ein naturnahes Ökosystem schaffen und die Belastung der Nordsee nachhaltig verringern. Ein scheinbar illusorisches Unterfangen - das gelang: Der Präsident der IKSE, Dr. Dietrich Ruchay, räumte im Jahr 2000 in seiner Zehn-Jahres-Bilanz ein, dass niemand in so kurzer Zeit mit solch deutlichen Verbesserungen gerechnet habe.

Was war passiert? Nach einem Schwerpunktkatalog wurde die schnelle Beseitigung der größten Verschmutzungsquellen beschlossen. Den größten Nachholbedarf sah die IKSE bei der Klärung der Einleitungen von Industrie- und Chemieabfällen und von Abwässern der Kommunen. Das „Erste Aktionsprogramm“ (1992 – 1995) beschäftigte sich folglich vorranging mit dem Bau und der Sanierung von 139 Kläranlagen entlang der Elbe. Bis 1995 konnte damit etwa eine Reduzierung der industriellen Abwasserlasten um 30 Prozent erreicht werden.

Deutliche Schadstoffreduzierung in drei Jahren

Das langfristige „Aktionsprogramm Elbe“ (1996 – 2010) trieb die weitere Senkung der Belastung voran, um Berufsfischerei und die Nutzung des Flusses zur Bewässerung und zur Gewinnung von Rohwasser für die Trinkwasseraufbereitung zu ermöglichen. 2000 konnte Präsident Ruchay festhalten: „Die Anzahl der Fischarten in der Elbe hat sich seit den 1980er Jahren verdoppelt.“ Die Maßnahmen zeigten also Erfolg: Seit 1990 hatten der Bau und die Sanierung von insgesamt 247 Kläranlagen sowie die Schließung alter Fabriken die Belastung – je nach Schadstoffart – um 70 bis 99 Prozent zurückgehen lassen. Quecksilber etwa war um 80 Prozent zurückgegangen. Dennoch mahnte die IKSE in ihrem Bestandsbericht zu den industriellen Einleitungen im Jahr 2000, dass noch „erhebliche Anstrengungen und Sanierungsmaßnahmen erforderlich sind“. Zwar zeige die Schadstoffbelastung von Fischen gegenüber Vorjahren eine erhebliche Verbesserung, diese seien aber noch nicht vermarktungsfähig. Ohne den Einsatz neuer Produktionstechnologien und weiterer Kläranlagen wären die IKSE-Zielvorgaben nicht zu erreichen.

Mittlerweile gilt das Elbe-Wasser vielerorts als so sauber wie vor Beginn der Industrialisierung. Die Natur ist wieder aufgeblüht: Der Elb-Lachs schwimmt wieder, die Landwirte können das Wasser für ihre Äcker nutzen und Menschen können Elb-Badetage unbeschwert genießen. Von der Kloake ist oberflächlich nichts mehr zu sehen.

Elbe hat ein Schadstoffgedächtnis

Jedoch warnt die Wissenschaft vor zu großer Euphorie: Hochwasser wirbeln jahrzehntelang abgelagerte Stoffe immer wieder hoch und auch bei Baggerarbeiten in Hafenbecken und Wasserläufen kommen etwa mit Quecksilber belastete Sedimente nach oben. Der Fluss hat ein „Schadstoffgedächtnis“. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wie Dr. Susanne Heise von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg bezeichnen die Elbe weiterhin als Risikoregion. Die Ökotoxikologin warnt, dass sich die Probleme durch den Klimawandel verschärfen könnten. Denn mehr extreme Wetterlagen bringen intensivere Niederschläge, die Hochwasser auslösen können. Die Forschung ist also besonders auf den Gebieten des Hochwasserschutzes und der Reinigung der Sedimente gefragt, um eine nachhaltige Sanierung der Elbe zu erreichen.


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