Genomforschung zum Anfassen

 

Fast 200 Oberstufenschülerinnen und -schüler isolierten ihre persönliche Erbsubstanz aus der Mundschleimhaut.

Am 26. September 2011, dem „Tag der Genomforschung“, standen Deutschlands renommierteste Genomforscher in Berlin der Öffentlichkeit Rede und Antwort. Interessierte konnten erfahren, wie die Genomforschung den Menschen zugute kommt, und auch selbst kleine Experimente durchführen.

Mehr als 550 Interessierte, davon über 400 Oberstufenschülerinnen und -schüler, fanden sich in der Urania in Berlin ein, um anlässlich des 10-jährigen Bestehens des Nationalen Genomforschungsnetzes (NGFN) mehr über die Arbeit der Genomforscher zu erfahren.

Dr. Helge Braun, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), betonte in seinen Grußworten, dass in dieser Veranstaltung nicht nur aufgezeigt werde, was bislang erreicht worden sei, sondern dass auch über die weiteren Perspektiven und Möglichkeiten der Forschung informiert werde. Die Erkundung grundlegender Krankheitsmechanismen und die Identifizierung molekularer Schaltstellen seien entscheidende Schritte auf dem Weg zu einer individualisierten Medizin.

Renommierte deutsche Genomforscher präsentierten aktuelle Forschungshighlights

In einer Reihe von Kurzvorträgen stellten Forscher aus dem NGFN Highlights aus zehn Jahren Genomforschung „made in Germany“ vor. Einführend wurde die rasante Entwicklung der Genomforschung im letzten Jahrzehnt mit folgendem Beispiel veranschaulicht: Hätte sich die Autoindustrie seit dem Humangenomprojekt ebenso rasch entwickelt wie die Technologien zur Genomsequenzierung, so hätten wir jetzt Autos, die mit zehntausendfacher Schallgeschwindigkeit fahren und mit einem Liter Benzin 25 Mal die Erde umrunden könnten.

Das Publikum verfolgt die Präsentation aktueller Forschungshighlights

In den folgenden Vorträgen wurde über konkrete Erfolge der Genomforschung bei verschiedensten Krankheitsgebieten wie beispielsweise Alkoholsucht, Schizophrenie und Herzinfarkt berichtet. So konnte im Bereich Krebs z. B. durch die Aufklärung eines bestimmten Signalwegs eine neue Therapieoption für Kinder mit einem speziellen Hirntumor gefunden und sogar bereits mit ersten Tests begonnen werden.

Podiumsdiskussion

Die individualisierte Medizin war auch das zentrale Thema in der von  Ingolf Baur (Moderator u. a. des 3sat-Wissenschaftsmagazins "nano") moderierten Podiumsdiskussion "Meine Krankheit, mein Genom, meine Therapie?", in der renommierte Experten untereinander und in einem offenen Bürgerdialog mit dem Publikum diskutierten. Das Podium bildeten Professor Dr. Jens Reich, Mitglied des Deutschen Ethikrats, Inge Bördlein-Wahl, Leiterin der Regionalgruppe Südwest des bundesweit agierenden Vereins mamazone – Frauen und Forschung gegen Brustkrebs e.V., Dr. Hildegard Kaulen, die als Wissenschaftsjournalistin u. a. für das Ressort "Natur und Wissenschaft" der FAZ schreibt, und die Genomforscher Professor Dr. Stefan Schreiber, Direktor der Klinik für Innere Medizin I am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, und Professor Dr. Martin Hrabě de Angelis, Direktor des Instituts für Experimentelle Genetik am Helmholtz Zentrum München.

Podiumsdiskussion

Diskutiert wurde unter anderem die Frage, ob eine genetische Optimierung des Menschen überhaupt möglich und falls ja, ob dies ethisch auch vertretbar sei. Das Publikum hakte nach, unter welchen Bedingungen es denn sinnvoll sei, Patienten mit einer genetischen Diagnose zu konfrontieren und welche Konsequenzen ein „gläserner“ Mensch auf die Privatsphäre haben würde. Forscher, Journalisten und Patientenvertreter betonten, dass die Chancen und Errungenschaften der Genomforschung immer wieder auf mögliche Nachteile hin hinterfragt werden müssten.

 

Die Posterausstellung wurde zum persönlichen Gespräch mit den Forschern genutzt.

Die Posterausstellung „Medizinische Genomforschung – Erfolge aus 10 Jahren NGFN“ bot weitere Gelegenheit zum Nachhaken im persönlichen Gespräch mit den Forscherinnen und Forschern. Anhand anschaulicher Poster verdeutlichten Wissenschaftler der einzelnen Verbünde des NGFN den Betrachtern ihre Ziele, Hintergründe und Erfolge sowie die Relevanz der Forschung aus ihrer persönlichen Perspektive.

Pulsierende Herzzellen sowie Eier und Larven des Zebrafisches ließen sich unterm Mikroskop betrachten.

Mitmach- und Schauexperimente, bei denen die Besucher selbst zu Forschern wurden, rundeten die Veranstaltung ab. Das Gläserne Labor und das NatLab aus Berlin boten verschiedene Mitmach-Experimente  an. So nutzten fast 300 Teilnehmer die Gelegenheit, ihre Blutgruppe zu bestimmen und etwa 200 Besucher isolierten ihre Erbsubstanz aus der eigenen Mundschleimhaut. Es konnten auch eine Polymerasekettenreaktion (PCR) selbst durchgeführt oder beim Pipettier-Wettbewerb Geschwindigkeit, Geschick und Präzision getestet werden. Beim Blick durchs Mikroskop ließen sich lebende Herzzellen sowie die Embryonen in winzigen Eiern und die durchsichtigen Larven des Zebrafischs, einem Modellorganismus der Herzforschung, beobachten.

Broschüre "10 Jahre Genomforschung in Deutschland"

Zum Tag der Genomforschung ist eine Broschüre erschienen, in der herausragende Forschungserfolge aus zehn Jahren deutscher Genomforschung verständlich präsentiert werden. Das Heft als PDF zum Herunterladen sowie weitere Informationen über die Veranstaltung stehen bereit unter www.ngfn.de/jubilaeum.