Die Wissenschaftsjahre 2000 bis 2012

Ein Blinder, der den Sehenden führt oder die magische Chemie eines Kusses – Kleine Wunder gibt es jedes Jahr

Wissenschaft macht Spaß, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sitzen nicht im Elfenbeinturm – das wird seit 2000 in jedem Jahr aufs Neue bewiesen. Manchmal „emotional tief bewegend“, wie es Professor Dr. Joachim Treusch formuliert. Der heutige Präsident der International University Bremen ist als ehemaliger Vorsitzender der Initiative Wissenschaft im Dialog einer der Initiatoren der Wissenschaftsjahre. Er erinnert sich daran, wie er 2004 im Wissenschaftsjahr der Technik auf der MS Wissenschaft von einem Blinden an die Hand genommen wurde, der damals das Ausstellungsschiff mit Exponaten der Blindenschule vor Ort ausgestattet hatte.

Wunder der Wissenschaftskommunikation
Die Wissenschaftsjahre führen Menschen aller Altersgruppen zusammen, sie laden sie ein, die oft unbekannte Welt der Wissenschaft und Forschung zu erkunden. Im Dialog auf Augenhöhe und häufig interaktiv mit zahlreichen Partnern aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Kultur. Gefragt danach, welches sein „Lieblingsjahr der Wissenschaftsjahre“ sei, antwortet Professor Gerold Wefer, Direktor des MARUM an der Universität Bremen und Vorsitzender des Lenkungsausschusses von Wissenschaft im Dialog, diplomatisch: „Für mich war jedes Wissenschaftsjahr auf seine Art spannend und ich habe jedes Mal viel Neues dazugelernt. Aber wirklich überrascht hat mich das Jahr der Mathematik. Dass Mathematik so interessant sein kann, das war nicht zu erwarten. Es hat mich darin bestätigt, dass Wissenschaftskommunikation tatsächlich kleine Wunder bewirken kann.“

 

Du kannst mehr Mathe als du denkst
Das Jahr der Mathematik hat vor allem junge Menschen tief beeindruckt. Das Onlineportal www.du-kannst-mathe.de überzeugte Mädchen und Jungen mit seinem Ansatz, Mathe-Phänomene im Alltag aufzuspüren. Ob beim Schuhe zuschnüren oder beim Aktivieren des MP3-Players – der tiefere Blick in die Welt der Zahlen war amüsant und lehrreich zugleich. Sophie Krause, Viktoria Urbach, Luisa Sprenker, Viktoria Lohner und Amelie Gabriel, Schülerinnen der 8d des Bonner Kardinal-Frings-Gymnasiums, haben sich in Rahmen eines gemeinsamen Projekts ihres Mathe- und Kunstunterrichts damit beschäftigt, den „Vater des modernen Rechnens“ Adam Riese zu malen. Und die Theater-AG am Gymnasium Martino-Katharineum in Braunschweig brachte Mathematik auf die Bühne. Zehn Schülerinnen erarbeiteten gemeinsam mit ihrem Lehrer Younouss Wadjinny ein mathematisches Theaterstück.

Querdenker und Visionäre
Dem Wissenschaftsjahr 2005 kam eine Sonderrolle zu – erstmals widmete man sich einer Forscherpersönlichkeit: Albert Einstein. Anlass waren der 100. Geburtstag der Relativitätstheorie und der 50. Todestag des weltberühmten Wissenschaftlers. 1905 veröffentlichte Albert Einstein fünf Aufsätze, die unser Weltbild tiefgreifend veränderten. Diese Arbeiten revolutionierten die klassische Vorstellung von Raum, Zeit, Materie und Energie. Mit dem Einsteinjahr würdigte Deutschland diesen Menschen, der die Welt bis heute fasziniert und begeistert: Albert Einstein, ein genialer Wissenschaftler, von der Weltöffentlichkeit bewundert – Physiker, Pazifist, Weltbürger und Visionär.

An Bord und auf den Schienen
Dem Querdenker Albert Einstein hätte der Ansatz gefallen, Wissenschaft zu den Menschen zu bringen. Ob mit dem Frachtschiff MS Wissenschaft, das erstmals 2002 im Wissenschaftsjahr der Geowissenschaften als Geoschiff die Reise angetreten hat, oder auch mit dem Zug, der im Wissenschaftsjahr 2009 – Forschungsexpedition Deutschland den Blick auf neue wissenschaftliche Themen eröffnete und junge Besucherinnen und Besucher ermutigte, sich für eine wissenschaftsnahe Laufbahn zu entscheiden. Die MS Wissenschaft fährt inzwischen Jahr für Jahr über deutsche Wasserstraßen und legt jeden Sommer in rund 30 Städten an – von Passau bis Kiel, von Stuttgart bis Magdeburg. Der Tourplan ändert sich Jahr für Jahr, damit möglichst viele Städte und Menschen in den Genuss der interaktiv gestalteten Ausstellung kommen. Insgesamt gingen mehr als 90.000 Menschen an Bord des Ausstellungsschiffes.

"Erinnern, Vermitteln, Gestalten"
2007 standen erstmals die Geisteswissenschaften im Mittelpunkt eines Wissenschaftsjahres. Gemeinsam mit dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und anderen Partnern präsentierte das Goethe-Institut das internationale Festival „Die Macht der Sprache“. Ebenso international war der Wettbewerb „Das schönste ABC der Welt" ausgelegt. Aus allen Teilen der Welt, von Albanien bis Elfenbeinküste, von Kanada bis Thailand wurden Wort-Beiträge eingesandt, gegen die sich das türkische Yakamoz („die Widerspiegelung des Mondlichts im Wasser“) als das schönste Wort der Welt durchsetzte.

Der Kuss – Magie und Chemie
Nur wer informiert ist, kann mitdiskutieren, wie wir in Zukunft leben wollen und können. Die Wissenschaftsjahre setzen auf den Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern – in Wissenschaftscafés und bei Bürgerdialogen, in Schülerparlamenten, in Konsenskonferenzen und bei vielen anderen Gelegenheiten. Professor Dr. Wolfram Koch, Geschäftsführer der Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V., der das Jahr der Chemie koordinierte, erinnert sich noch gerne an eine, wie er sagt, sehr wichtige Lektion: „Überrascht hat uns, die wir wissenschaftlich geprägt sind, der Erfolg von auf den ersten Blick eher trivialen Kampagnen wie ,Der Kuss – Magie und Chemie‘.“

Interdisziplinär und zukunftsorientiert
Bis 2008 stand jedes Jahr eine wissenschaftliche Disziplin oder, wie 2005 das Einsteinjahr eine bedeutende Persönlichkeit der Wissenschaften im Mittelpunkt der Wissenschaftsjahre. Seit dem Wissenschaftsjahr 2009 – Forschungsexpedition Deutschland greifen die Wissenschaftsjahre interdisziplinäre Themen auf. Die Wissenschaftsjahre tragen so der Erkenntnis Rechnung, dass die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen der Wissenschaft jenseits traditioneller Fächergrenzen bewältigt werden.

Neue Energien – Nachhaltige Lösungen
Das Wissenschaftsjahr 2010 – Die Zukunft der Energie zeigte bei der Suche nach zukunftsfähigen Lösungen vor allem die herausragende Bedeutung der Energieforschung. Dabei eröffnete es Einblick in die Arbeit einer Vielzahl  unterschiedlicher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Hand in Hand zusammenarbeiten, um tragfähige Lösungen für eine intelligente Energieversorgung zu entwickeln. Größtes Highlight im Wissenschaftsjahr Energie war der Tag der Energie am 25. September 2010 mit 700 Veranstaltungen in ganz Deutschland. Forschungseinrichtungen, Hochschulen, Museen und Unternehmen öffneten ihre Türen, um die Menschen über die heutige und über die künftige Energieversorgung zu informieren.

Wissenschaft zum Anfassen
Auch die Forschungsbörse ging 2010 online, über die Schulen, Forscherinnen und Forscher in den Unterricht einladen können. Im Wissenschaftsjahr 2010 – Die Zukunft der Energie hatten sich bereits 117 Energieforscher an der Forschungsbörse beteiligt und verschiedene Schulklassen besucht.

Der Mensch im Mittelpunkt
Das Wissenschaftsjahr 2011 – Forschung für unsere Gesundheit richtete die Aufmerksamkeit auf den Menschen und eröffnet eine gesellschaftliche und interdisziplinäre Debatte über die Ziele, Herausforderungen und Aktionsfelder heutiger Gesundheitsforschung. 

Zukunftsprojekt ERDE
Das Wissenschaftsjahr 2012 steht im Zeichen der Forschung für nachhaltige Entwicklungen: Sie ist der Schlüssel für die Zukunft. Es gilt, einen Forschungsansatz zu schaffen, der wirtschaftliche, ökologische und soziale Aspekte gleichzeitig umfasst, ohne ein Problem auf Kosten eines anderen zu lösen.

Im Wissenschaftsjahr 2012 – Zukunftsprojekt Erde werden Fragen gestellt, auf die es mehr als eine richtige Antwort gibt: Wie wollen wir leben? Wie müssen wir wirtschaften? Und: Wie können wir unsere Umwelt bewahren? Das sind drei zentrale Dimensionen des Wissenschaftsjahres für nachhaltige Entwicklungen.

Der Begriff Nachhaltigkeit wird oft verwendet und unterschiedlich definiert. Die Bundesregierung formuliert ihn in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie so: „Nachhaltigkeit bedeutet: Nur so viel Holz schlagen, wie auch nachwachsen kann. Vom Ertrag – und nicht von der Substanz leben. Jede Generation muss ihre Aufgaben lösen und darf sie nicht den nachkommenden Generationen aufbürden.“

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert im Sinne nachhaltiger Entwicklungen im Jahr 2012 mehr als 500 internationale Projekte in 62 Ländern auf fünf Kontinenten.