Schädlicher Lärm und heilsame Töne

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„Eines Tages wird der Mensch den Lärm ebenso unerbittlich bekämpfen müssen wie die Cholera und die Pest“, hat Robert Koch vor hundert Jahren prophezeit. Tatsächlich ist Lärm heutzutage zu einem erheblichen Gesundheitsrisiko geworden.

Als Lärm bezeichnet man unerwünschte, störende und belästigende Geräusche, die das körperliche, seelische und soziale Wohlbefinden negativ beeinflussen können. Welchen pathogenen Effekt Lärm hat, zeigt die Statistik der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: Mit knapp 5.600 anerkannten Fällen ist die Lärmschwerhörigkeit heute die häufigste Berufskrankheit. Der erste Bericht zur Abschätzung der Krankheitslast durch Umgebungslärm in Europa der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat aktuell ergeben, dass Verkehrslärm in Westeuropa jährlich zum Verlust von über einer Million gesunden Lebensjahren führt – durch Erkrankung, Behinderung oder vorzeitigen Tod. Jeder dritte EU-Bürger fühlt sich demnach tagsüber durch Lärm belästigt und jeder fünfte wird im Schlaf durch Straßen-, Schienen- oder Flugverkehr gestört. Dadurch erhöht sich das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Bluthochdruck. Lärm verursacht zudem Schlafstörungen, Herzinfarkte, Lernstörungen oder Tinnitus. „Lärm ist nicht nur ein Umweltärgernis, sondern auch eine Bedrohung für die öffentliche Gesundheit“, sagt die WHO-Regionaldirektorin für Europa Zsuzsanna Jakab.

Ein „Tag gegen den Lärm“

Auf die gesundheitlichen Gefahren durch den Lärm macht in Deutschland seit 1998 der „Tag gegen Lärm“ aufmerksam. In diesem Jahr findet er am 27. April statt und steht unter dem Motto „Lärm trennt“. Am „Tag gegen Lärm“ informieren über 150 Aktionen deutschlandweit über die Ursachen und Auswirkungen von Lärm.

Das Lärmempfinden kann individuell allerdings sehr unterschiedlich sein. Wie ein Geräusch auf den Menschen wirkt, ist unter anderem vom Schalldruckpegel und dem Frequenzgehalt des Tons abhängig. Bereits Pegel über 85 Dezibel können ohne entsprechenden Lärmschutz zu bleibenden Hörschäden und einem Tinnitus führen. Hinzu kommen subjektive Faktoren, die die Wahrnehmung von Geräuschen beeinflussen: Das Lärmempfinden hängt also auch ab von individuellen Umständen – beispielsweise der seelischen Situation, in der man sich befindet.

Schon Kinder sind betroffen

Lärmbelastungen fangen bereits im Kindesalter an. Untersuchungen des Umweltbundesamtes (UBA) haben ergeben, dass bereits jedes achte Kind zwischen acht und 14 Jahren eine auffällige Minderung der Hörfähigkeit aufweist. „Lärm ist ein Stressfaktor für Erwachsene wie auch für Kinder. Hohe Schallpegel führen zu Gehörschäden, die sich über das gesamte Leben hinweg summieren. Deshalb müssen wir besonders Kinder und Jugendliche vor Lärm schützen”, sagt UBA-Vizepräsident Thomas Holzmann. Schädlich können sich vor allem die Besuche von Konzerten und Diskotheken auswirken: Das Risiko, bei einem vierstündigen Diskothekenbesuch einen Gehörschaden zu erleiden, entspricht dem gleichen Risiko, dem man bei einer Dauerbeschallung mit 90 Dezibel am Arbeitsplatz über eine 40-Stunden-Woche hinweg ausgesetzt wäre. Nur – anders als in Diskotheken – müsste man dort nach den Unfallverhütungsvorschriften dann einen Gehörschutz tragen.

Macht Musik depressiv?

Laute Musik ist eine der Hauptlärmquellen, die sich Kinder und Jugendliche freiwillig aussetzen. Elf Prozent der befragten Kinder in der UBA-Studie gaben an, den Lautstärkeregler ihres Musikplayers immer am oberen Anschlag zu haben – und damit lauter, als es noch gesund wäre. Macht Musik also krank? Diese Frage wird von einer neuen Studie noch aus einem ganz anderen Blickwinkel beantwortet. Demzufolge sind nämlich Jugendliche und junge Erwachsene, die lieber Musik hören statt ein Buch zu lesen, offenbar eher gefährdet, an einer Depression zu erkranken. Allerdings blieb bei der Untersuchung unklar, ob depressive Menschen zum Musikgenuss tendieren oder ob das intensive Musikhören erst zur Depression führt, schreiben die Forscher in den „Archives of Pediatric and Adolescent Medicine“. So wäre es durchaus möglich, dass Jugendliche mit Depressionen Musik gerade umgekehrt zur Stimmungsaufhellung benutzen.

Ein Ohrwurm als Lebensretter

Die segensreichen Auswirkungen von Musik auf die gesundheitliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen sind durch die Forschungsleistungen von Psychologen, Hirnforschern und Musikpädagogen hinlänglich belegt. Auch wenn der „Mozart-Effekt“, die Steigerung der Intelligenz durch das Hören klassischer Musik, mittlerweile wiederlegt ist: Musik, die Freude macht, steigert nicht nur das Wohlbefinden, sondern erhöht auch die Leistungsbereitschaft. Mit Musik gehen Kinder lieber zur Schule, Musik fördert die kognitiven, emotionalen und sozialen Fähigkeiten. Da bestimmte Instrumente, Musikstile und Rhythmen sich positiv auf die Gesundheit auswirken können und vor allem das Musizieren selbst ein positives Lebensgefühl verschaffen kann, wird Musik heute vielfach therapeutisch eingesetzt: Als Bestandteil einer Schmerztherapie kann Musik den Schmerz verdrängen – gerade Tinnitus-Patienten verschafft sie so häufig eine Linderung ihres Leidens. Im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie hilft die Musiktherapie, Entwicklungsstörungen und soziale Störungen sowie Ängste und Depressionen zu therapieren. Und manchmal kann Musik sogar Leben retten: Ausgerechnet der Disco-Hit „Stayin‘ Alive“ der englischen Band Bee Gees kann laut einer Studie der Universität Illinois als Notfallhelfer dienen. Das Lied gibt mit 103 Schlägen pro Minute den perfekten Rhythmus für eine Herzdruckmassage vor.

 

Weitere Informationen

Tag gegen den Lärm  

Arbeitsring Lärm der Deutschen Gesellschaft für Akustik (DEGA)

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA)

Umweltbundesamt

Fachinformationsdienst für Lebenswissenschaften, Umwelt und Gesundheit (FLUGS) am Helmholtz Zentrum München

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung

Verkehrsclub Deutschland

Initiative Hören  

Deutsche Tinnitus-Liga (DTL) 

 

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