Soziale Medien in Protestbewegungen: Mehr Mobilisation als Information

Inhaltliche Debatten finden laut Studie bei Facebook und Co. selten statt

Während der Finanzkrise 2011 sind soziale Medien vor allem zur Organisation von Protesten genutzt worden, weniger für inhaltliche Debatten. Diese fanden offenbar eher in kleineren Kreisen oder geschlossenen Foren statt, erläutert die Politikwissenschaftlerin Marianne Kneuer von der Universität Hildesheim, Mitautorin einer Untersuchung zum Thema „Soziale Medien in Protestbewegungen“. Die Studie ergab außerdem, dass unterschiedliche Typen von Nutzern existieren: Da gibt es sehr aktive und daneben eine große Gruppe, die Kneuer als „Wohlfühlaktivisten“ bezeichnet. „Der Like-Button bei Facebook lädt dazu ein, sich vom Sofa oder Schreibtisch aus mit einem Klick an einer sozialen Bewegung zu beteiligen. So entsteht gefühlte beziehungsweise symbolische Partizipation, die gleichwohl keine oder kaum Wirkung entfaltet“, erläutert die Wissenschaftlerin.

Über soziale Medien lassen sich mögliche Mitstreiter rasch und einfach erreichen. Das vereinfacht die Organisation von Protesten und Demonstrationen. © Isa Lange / Uni Hildesheim

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„Unsere Untersuchung zeigt, dass soziale Medien in den Protestbewegungen von 2011 zu dem überwiegenden Anteil (40 Prozent Facebook, 42 Prozent Twitter) zur Verbreitung von organisatorischen Hinweisen genutzt wurden. Dazu gehören Hinweise auf Demonstrationen oder Aktionen, Informationen über Polizeieinsätze etc.“, berichtet Kneuer. Möglicherweise hat sich dies aber mittlerweile verschoben: Denn 2012 sei der Anteil organisatorischer Posts bereits deutlich geringer gewesen. Dennoch: „Die Erwartung, dass soziale Medien neue Räume für inhaltliche Debatten eröffnen, lässt sich nicht bestätigen“, sagt Kneuer, die für die Studie die Online-Kommunikation in Portugal, Spanien, USA, Großbritannien und Deutschland untersuchte.

Zudem waren der Studie zufolge die Beiträge im Netz weniger global ausgerichtet als vermutet. Globale Akteure – wie IWF und Weltbank – oder Themen seien kaum angesprochen worden, erklärt die Politikwissenschaftlerin. „Eine transnationalisierte Kommunikation als Weg, um sozusagen eine globale Antwort auf die globale Banken-, Finanzkrise und ihre Folgen zu formulieren, ist somit nicht zu erkennen.“

Dass Beiträge in sozialen Medien öffentlich sind, also jeder mitlesen kann, ist für Kneuer nicht die Kernfrage. Sie hebt hervor, dass Facebook und Co. oft einseitig wahrgenommen würden. „Nach dem Arabischen Frühling war man zu optimistisch. Es wurde nur die Möglichkeit gesehen, Autokratien unter Druck zu setzen.“ Inzwischen wisse man, dass nicht nur demokratisch gesinnte, sondern auch radikale Gruppen das Netz nutzten. Ein „netzrealistischer Ansatz“ sei notwendig, nämlich die positiven und negativen Seiten des Internets zur Kenntnis zu nehmen, zu analysieren und sich als politischer Akteur darauf einzustellen. „So wird nicht der Fehler begangen, einmal das Internet zu verteufeln und es ein anderes Mal in den Himmel zu heben.“

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