Die Weisheit der Vielen: Bürgerbeteiligung bei der Energiewende

Die Energiewende ist kein ausschließlich technisches Vorhaben - für viele technologische Herausforderungen sind Lösungen gefunden. Nun treten mehr und mehr ihre Auswirkungen für Gesellschaft und Bürger hervor. Es gilt, gemeinsam mit Bürgern, Wissenschaftlern, Wirtschaft und Entscheidungsträgern lokal geeignete Technologien auszuwählen und Akzeptanz für notwendige Infrastrukturprojekte wie neue Netzleitungen oder Energiespeicher zu schaffen. Aus Mit-Betroffenen sollen Mit-Entscheider werden.

Vogelperspektive der Stadt Metzingen
Metzingen ©Stadt Metzingen

Gute Gründe sprechen für die aktive Beteiligung der Bürger an der lokalen Energiewende: Erstmals ist eine dezentrale Energieversorgung technisch möglich. Bürger können ihre Häuser mittels Solarenergie selbst versorgen, Wärmepumpen nutzen und sich in Bürgerenergiegenossenschaften den Besitz großer Stromanlagen wie zum Beispiel Windparks oder Solarthermie teilen. Hier geht es um Kapital und Eigentum. Gleichzeitig entsteht ein neuartiges, ökologisch nachhaltiges System der Energieversorgung auf Basis erneuerbarer Ressourcen. Es geht also auch um gesamtgesellschaftliche Werte wie Klima- und Umweltschutz sowie um individuelle Verhaltensweisen beim Energiekonsum.

Aufgrund ihrer Komplexität stellt die Energiewende jedoch eine Herausforderung für die Bürgerbeteiligung dar: Notwendig ist ein intensiver Beteiligungsprozess, der auf zielgruppengerecht aufgearbeiteten Informationen, gemeinsamen Diskussionen und schließlich Entscheidungen beruht. Ein Wechselspiel von Beratungen in kleinen Gruppen – die für ihre Mitbürger planen und deshalb einer demokratischen Legitimation bedürfen – und öffentlichen Foren ist notwendig. Um die Akzeptanz vom Beteiligungsverfahren zu erhöhen, sollten Bürger deshalb ebenso mitentscheiden, ob und wie sie eingebunden werden möchten. Die Energiewende bietet uns so auch die Möglichkeit, Bürgerbeteiligung und unser Verständnis von Demokratie weiterzuentwickeln.

Über den Autor

Portraitfoto von Prof. Dr. Uwe Pfenning
© Elisabeth Päthz

Prof. Uwe Pfenning arbeitet als Wissenschaftler und Projektleiter in der Abteilung Systemanalyse und Technikbewertung des Instituts für Technische Thermodynamik am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Stuttgart.

Wie eine solche Bürgerbeteiligung bei der Energiewende vor Ort gelingen kann, untersucht das Institut für Technische Thermodynamik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) aktuell am Beispiel der mehr als 20.000 Einwohner zählenden Kreisstadt Metzingen in Baden-Württemberg. Im Zuge dieses bisher einmaligen Pilotprojekts wollen wir herausfinden, welche Einstellungen und Verhaltensweisen die Bevölkerung zur nachhaltigen Umgestaltung ihrer Energieversorgung haben. Im ersten Schritt werden wir gemeinsam mit der Stadt eine Informationskampagne entwickeln. Diese basiert auf den Ergebnissen einer Umfrage. Bis Ende März 2015 waren alle Metzinger Bürger aufgerufen, Fragen zu ihrem Energieverhalten und ihrer Energienutzung zu beantworten. Wir haben dabei auch abgefragt ob und wie Bürger unterschiedliche Technologien der Energieerzeugung akzeptieren und ob sie bereit sind, das eigene Handeln für einen geringeren Energieverbrauch zu ändern. Außerdem wollten wir wissen, welche Beteiligungs- und Entscheidungsverfahren die Bürger für sinnvoll und demokratisch legitimiert halten.

Im zweiten Schritt, der Umsetzung der Informationskampagne, planen wir Informationsveranstaltungen, Diskussionen mit Experten, Bürgerkonferenzen und Bürgergutachten. So können sich die Metzinger über Technologien wie Photovoltaik, Windkraft, Biomasse oder Geothermie, innovative Speicherkonzepte für Wärme und Strom sowie die damit verbundenen Geschäftsmodelle schlau machen. Als technikmündige Bürger können sie sich dann ein eigenes Urteil bilden und schlussendlich gemeinsam entscheiden, welchen Weg Metzingen einschlagen soll.

Ziel des Projekts ist es, die Einwohner über das vielschichtige Thema umfassend und bedarfsgerecht zu informieren, sie so zum Mit-Entscheiden und Mit-Gestalten zu aktivieren und dadurch eine „Energiewende aus Bürgerhand" möglich zu machen.

 

zur Seite des DLR-Instituts für Technische Thermodynamik

zur DLR-Studie: Wie gelingt die Energiewende vor Ort?

zur Seite der Stadt Metzingen

 

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2015 – Zukunftsstadt.

Metadaten zu diesem Beitrag

Schlagworte zu diesem Beitrag:

  • #Energie
  • #Nachhaltigkeit
  • #Stadt
  • #Klima
  • #Metzingen
  • #Stuttgart
  • #Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

Mehr zum Themenfeld:


Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!