Terror rund um Fußballstadien? – Städte müssen die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit finden

Die Anschläge in Paris prägen seit Mitte November die öffentliche Diskussion um Sicherheit. Bürgerinnen und Bürger verfügen daher im Moment über ein entsprechend großes Sicherheitsbedürfnis. So sehen sich vor allem Städte der Herausforderung gegenüber, dass Großveranstaltungen und Versammlungsorte (z. B. Weihnachtsmärkte, Volksfeste, Konzerte oder Sportereignisse) Ziele terroristischer Akte sein könnten. Es stellt sich für Kommunen mit Stadien daher die Frage nach deren Sicherheit in der Zukunft, die angesichts der – verständlicherweise – spärlichen Informationslage aus Sicherheitskreisen schwer zu beantworten ist.

DFB-Pokal-Viertelfinale 2008: FC Bayern – 1860 München / © Ephesos

Im Allgemeinen ist die Sicherheitslage in den deutschen Stadien im europäischen Vergleich als ausgesprochen gut einzuschätzen. Es gibt zwar, im Vergleich zur Gesamtzahl an Stadionbesuchern, wenige gewaltaffine Fans und es bestehen durchaus noch weitere Konfliktfelder, aber generell ist ein Stadionbesuch als ungefährlich zu bezeichnen (s. Zahlen der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze zur Saison 2014/2015: im Mittel 1,2 verletzte Personen pro Spiel bei insgesamt 749 Spielen und über 18 Millionen Besuchern der ersten beiden Ligen). Die Infrastruktur sowie die beteiligten Vereinsvertreter (z. B. Fan- und Sicherheitsbeauftragte) und öffentlichen wie privaten Sicherheitsakteure werden seit vielen Jahren immer weiter professionalisiert und arbeiten auf einem hohen Niveau.

In der aktuellen Situation und unter den Eindrücken der vergangenen Wochen scheint es ausgesprochen schwer und komplex, das richtige Maß an sicherheitsbezogener Reaktion zu finden. Fans fühlten sich im Stadion bislang sicher, wie z. B. eine Aktion aus dem Jahr 2012 zeigt. Innerhalb weniger Wochen trugen sich mehrere 10.000 Menschen bei der Initiative „Ich fühl mich sicher“ ein, um gegen eine Intensivierung der Sicherheitsmaßnahmen im Rahmen von Fußballspielen zu demonstrieren.

Angesichts der aktuellen Situation bedarf dies einer erneuten Überprüfung und gegebenenfalls der Erarbeitung neuer Konzepte zur Sicherheit bei Großveranstaltungen im kommunalen Raum. Es erscheint unbedingt angeraten, in der weiteren Auseinandersetzung mit diesem Thema sensibel das Verhältnis zwischen Sicherheit und Freiheit zu beachten und dafür Sorge zu tragen, dass die gewiss wichtige Intensivierung terrorbezogener Sicherheitskonzepte sachlich diskutiert und initiiert wird und spezifisch auf ein entsprechendes Szenario ausgerichtet verbleibt. Denn im Sinne eines unbeschwerten Stadionbesuchs ist eine Spezifikation der Sicherheitsmaßnahmen natürlich wichtig.

Die gegenwärtige Lage verführt aber allzu leicht dazu, die Sicherheitsarchitektur rund um die Spiele derart auszubauen, dass Elemente unserer Freiheit zu stark eingeschränkt würden. Dies würde auf der einen Seite einem Sich-Beugen gegenüber dem Terrorismus gleichkommen, da unser Leben und unsere Freiheit durch äußeren Druck über die Maßen eingeschränkt werden würden. Auf der anderen Seite würde eine exzessive und unspezifische Ausweitung der Sicherheitskonzeptionen und Überwachungssituation den bestehenden Konflikt zwischen Sicherheitsakteuren und aktiven Fanszenen in einer Situation weiter anheizen, in der beide Seiten angesichts des potentiellen Bedrohungsszenarios möglicherweise besser kooperieren und interagieren sollten. Ebenso wie die Sicherheitsakteure sollten sich auch die Fans ihrer Verantwortung bewusst werden und mögliche Irritationen (z. B. durch Böllerwerfen) unterlassen.

Über den Autor

Gabriel Duttler

Dr. Gabriel Duttler arbeitet als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Sportwissenschaft der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Am Institut für Fankultur forscht er zu den unterschiedlichen kulturellen Ausprägungsformen von (Fußball-)Fans.

Für die Forschung stellt sich die Frage nach wirksamen Sicherheitskonzeptionen, aber auch danach wie beispielsweise das Integrationspotenzial des Sports genutzt werden kann. Denn die Kommunen, Städte und Vereine stehen vor der Herausforderung, sensibel die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit zu beachten und gleichzeitig – in diesem Spannungsfeld – effektive Mittel der Integration und des gemeinsamen Lebens zu identifizieren. Nur auf dieser Basis können wirksame und nachhaltige Präventionsprogramme, die in einigen Städten schon bestehen, im Sinne einer Best-Practice-Analyse identifiziert oder konzeptionell neu entwickelt, insbesondere aber in ihrem Aktionsradius sinnvoll ausgeweitet werden. Gerade ein gemeinsames Sporttreiben kann sich als ein wichtiges Integrationsinstrument erweisen, wie dies verschiedene Vereine zeigen, die sich explizit dem Miteinander von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religion verschrieben haben. So wurde beispielsweise der FSV Dornberg, der sich insbesondere der Einbeziehung von Menschen mit Migrationshintergrund widmet, mit dem Integrationspreis des DFB ausgezeichnet. Nur über gemeinsame Erfahrungen können bestehende Vorurteile und Ressentiments abgebaut und Menschen, die sich am Rande der Gesellschaft unbeachtet fühlen, einbezogen werden.


Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2015 – Zukunftsstadt.

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