Lieferverkehr logisch denken: mehr Transporter, weniger Autos!

Wenn in der Presse über das Thema Innenstadtlogistik diskutiert wird, dann meist im Zusammenhang mit einem steigenden Lieferverkehrsaufkommen und den daraus resultierenden negativen Auswirkungen auf die Lebensqualität der Stadtbewohner. So wurde beispielsweise in einem Artikel der Stuttgarter Zeitung Ende Januar die Stuttgarter Einkaufsmeile Königstraße zur Mittagszeit mit einem Umschlagplatz für den Güterverkehr verglichen.

Transporter
©Art Konovalov / Shutterstock.com

Wenngleich dieser subjektive Eindruck zunächst nachvollziehbar scheint, so lenkt er doch von der Tatsache ab, dass Lieferverkehr niemals zum Selbstzweck geschieht. Vielmehr transportieren die zahlreichen Logistikdienstleister lediglich die Waren und Güter in die Innenstädte, die dort nachgefragt werden. Das bezieht sich sowohl auf gewerbliche als auch auf private Empfänger.

Ist der Passant in der Fußgängerzone also selbst schuld an dem Lieferwagen, über den er sich beschwert? Auch wenn diese Frage hier sicher nicht zielführend ist, so zeigt sie doch, dass jede Lieferfahrt bis zu einem gewissen Grad die individuellen (Mobilitäts-) Bedürfnisse der Stadtbewohner abdeckt. Es besteht also ein direkter Zusammenhang zwischen dem Lieferverkehrsaufkommen einer Stadt und dem individuellen Mobilitätsverhalten seiner Einwohner. Trotzdem wird das Thema Wirtschaftsverkehr bei der Entwicklung von Mobilitätskonzepten für Städte in der Regel als ein in sich geschlossenes System betrachtet, das es zu optimieren bzw. zu reduzieren gilt, losgelöst von dem Thema Individualverkehr.

Über den Autor

Steffen Raiber

Steffen Raiber arbeitet als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer IAO. Er ist zuständig für den Aufbau des gemeinsamen Kompetenzzentrums für urbane Logistik und Wertschöpfung (LOGWERT) des Fraunhofer IAO in Zusammenarbeit mit der Hochschule Heilbronn.

Lieferverkehr bietet höhere Einsparpotenziale als Carsharing

Wenn wir heute über nachhaltige Verkehrskonzepte sprechen, beschränkt sich die Diskussion darauf, wie durch ÖPNV oder neuerdings auch Carsharing private Autofahrten gespart werden können. Bedenkt man jedoch, dass 27,4 Prozent der Gesamtfahrleistung aller Kraftfahrzeuge in Deutschland auf den Wirtschaftsverkehr entfallen (KiD 2010) und lediglich 0,025 Prozent auf Carsharing (eigene Berechnungen des Fraunhofer IAO auf Basis der Verkehr in Zahlen-Statistik 2014/15 und Unternehmensangaben der deutschen Carsharing-Betreiber), dann fallen in der bisherigen Diskussion große Einsparpotenziale komplett unter den Tisch.

Ein Lieferwagen, der ungefähr 60 bis 80 Haushalte pro Tag mit Waren und Gütern versorgt, ist streng genommen nichts anderes als eine gemeinschaftlich genutzte Mobilitäts-Infrastruktur. Im Idealfall sind dank dieses Lieferwagens 60 bis 80 Stadtbewohner nicht in ihr eigenes Auto gestiegen, um in einen Großmarkt in der Vorstadt zu fahren und sich das bestellte Produkt dort zu kaufen.

Selbstverständlich ist nicht jeder Lieferverkehr sinnvoll und der damit verbundene Komfort für den Empfänger begünstigt sicher, dass unbedacht Waren bestellt und wieder zurückgeschickt werden. Dafür sprechen die hohen Retourzahlen der großen Online-Händler. Zunächst geht es aber darum, neben den negativen Auswirkungen des Lieferverkehrs vor allem die daraus resultierenden Chancen für die Reduktion von privaten Autofahrten zu untersuchen, entsprechende Konzepte zu stärken und weiterzuentwickeln und die dafür benötigten städtischen Infrastrukturen (wie beispielsweise anbieterneutrale Packstationen oder innerstädtische Umschlagdepots) auszubauen.

Das Ziel ist dabei weiterhin, dass Stadtbewohner sich auf Grund der vorhandenen innovativen Mobilitäts- und Serviceangebote das eigene Auto sparen können. Stattdessen leihen sie sich komfortabel ein Rad oder ein Auto, nehmen die Bahn oder den Bus oder lassen sich zusammen mit weiteren Anwohnern mit Waren und Gütern beliefern.

 

Dieser Blogbeitrag enstand im Rahmen der Blogreihe des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation zum Thema Zukunftsstadt.

 

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2015 – Zukunftsstadt.

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