BGE? Bedingungslose Kapitulation!

Ein Expertenbeitrag von Oliver Suchy, Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)
Im Zuge der Diskussionen über die Arbeit der Zukunft hat auch das Konzept für ein „Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE)“ erhöhte Aufmerksamkeit erfahren. Wobei: Es gibt nicht das eine BGE-Konzept, sondern gleich eine ganze Reihe, allerdings in unterschiedlicher Ausprägung (wie zum Beispiel das Solidarische Bürgergeld). Als Begründung für das BGE findet sich auf der einen Seite die Befreiung von staatlicher Bevormundung oder Sanktionen wie bei Hartz IV. Auf der anderen Seite wird die Aussicht auf einen massenhaften Wegfall von Arbeitsplätzen und das Ende der Erwerbsarbeit durch den digitalen Wandel als Argument angeführt.
Beide Seiten haben nicht viel gemein – und doch scheint ein BGE auf den ersten Blick nicht unattraktiv: Jeder Mensch bekommt zum Leben einen monatlichen Zuschuss vom Staat – ohne dass daran eine Bedingung geknüpft sei. Wer kann da schon nein sagen?

Oliver Suchy (49) hat Politikwissenschaften studiert und bis 2001 im Deutschen Bundestag in Bonn und Berlin gearbeitet. Anschließend wechselte er zum DGB Bundesvorstand und hatte dort unterschiedliche leitende Funktionen. Von 2004 bis 2008 leitete er ein Projekt zur „Arbeit der Zukunft“. Seit Oktober 2018 ist er Leiter der neu gegründeten Abteilung „Digitale Arbeitswelten und Arbeitsweltberichterstattungen“ im DGB Bundesvorstand.

Ich sage Nein

Reformen am Hartz IV-System sind zweifellos nötig. Aber ein BGE ist dazu keine Alternative, schon allein, weil es sehr wohl an Bedingungen geknüpft ist – ökonomisch wie finanziell. Zur ungelösten Finanzierung (Nettoaufwand: 900 Mrd. Euro) gesellen sich andere unbequeme Fragen: Führt ein BGE nicht zu Abbau einer bedarfsgerechten Sozialpolitik, die ein BGE eben gerade nicht abdecken kann? Wird das BGE nicht schnell zu einem flächendeckenden Kombilohn aus BGE und (dann geringerem) Arbeitslohn – und somit zu einem rasanten Druck auf Löhne und kollektive Aushandlungsprozesse, sodass die Arbeitsbedingungen noch prekärer werden?
Ich meine ja. Und damit führt das BGE nicht zur versprochenen Unabhängigkeit, sondern zu einer pauschalen Umverteilung nach dem „Bierdeckelprinzip“, das heißt, pauschal vereinfacht.

Mein „Nein“ begründet sich jedoch sehr viel weitgehender: Für mich ist ein BGE – nicht zuletzt vor dem Hintergrund des digitalen Wandels – eine bedingungslose Kapitulation vor eben dieser Herausforderung von enormer Tragweite. Es besteht ein Konsens, dass wir am Anfang einer Transformation von Wirtschaft, Arbeitswelt und Gesellschaft stehen, bei dem es vor allem um eines geht: Qualifizierung.

Gegenmeinung

Mutige Vision oder provokante Utopie? Das bedingungslose Grundeinkommen

Ein Expertinnenbeitrag von Christina Strohm

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Investitionen in Bildung, Ausbildung und berufliche Weiterbildung

Wie viele Jobs tatsächlich wegfallen oder neu entstehen, kann niemand seriös voraussagen. Doch es besteht Einigkeit, dass sich Millionen von Jobprofilen durch die Digitalisierung ändern – und die Intensität des Wandels wird noch zunehmen. Diese Aussicht erfordert ein hohes Maß an beruflicher Mobilität und führt schon heute zu einer hohen Unsicherheit. Diese lässt sich nicht durch ein BGE in Zuversicht verwandeln, sondern nur durch einen massiven und schnellen Ausbau der Investitionen in Bildung, Ausbildung und berufliche Weiterbildung.
Der Wandel braucht Empowerment und dazu müssen jetzt die Grundlagen gelegt werden. Solange hier aber gekleckert und nicht endlich geklotzt wird, kann sich das bestehende Unbehagen nicht auflösen, sondern eher verfestigen. Vielleicht ist dies auch ein Grund dafür, dass aktuell überhaupt so breit über das BGE diskutiert wird.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2018 - Arbeitswelten der Zukunft.

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