Das Leben wird digitaler – unsere Arbeit muss nachziehen

Ein Experteinnenbeitrag von Lena-Sophie Müller, Initiative D21 e.V. Die Digitalisierung der Arbeitswelt bietet Erwerbstätigen in Deutschland vorher nicht gekannte Potenziale und Möglichkeiten der Flexibilität, Spontanität und Selbstbestimmung. Doch werden die Potenziale von der deutschen Gesellschaft erkannt und genutzt? Wie digital ist unsere Arbeitswelt heute?

Das Kind ist krank, der seit Wochen erwartete Handwerker hat sich angekündigt oder man braucht einfach einmal wirkliche Ruhe für eine Aufgabe und möchte dem Großraumbüro entfliehen? Immer mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können in solchen Situationen flexibel reagieren und die neuen Möglichkeiten des digitalen und mobilen Arbeitens nutzen. Egal ob von zu Hause, im Café oder bei der Bahnfahrt: Die fortschreitende Digitalisierung erlaubt immer mehr Menschen ein neues Arbeiten.
Doch bei weitem nicht alle können die flexiblen Möglichkeiten des digitalen Arbeitens gegenwärtig nutzen. Wie die kürzlich veröffentlichte Studie „D21-Digital-Index“ zeigt, ist der Anteil der mobil arbeitenden Menschen trotz zunehmender Digitalisierung nach wie vor gering. Gerade einmal 16 Prozent der Erwerbstätigen tun dies regelmäßig oder gelegentlich. Auch von den eigentlich prädestinierten Jobs mit digitalen Bürotätigkeiten nutzen gerade einmal 30 Prozent Telearbeit, Homeoffice oder mobiles Arbeiten. An vielen Arbeitsstellen fehlt es gegenwärtig am Willen oder der Ausstattung. Ein Problem, das auch die Bundesregierung erkannt hat und deswegen im neuen Koalitionsvertrag entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen schaffen möchte.

Lena-Sophie Müller ist seit 2014 Geschäftsführerin des gemeinnützigen Vereins Initiative D21 e.V. Es ist ihr ein Anliegen, die gesellschaftlichen Implikationen der Digitalisierung in Deutschland aufzuzeigen und positiv mitzugestalten. Die Politologin diskutiert als Expertin der digitalen Transformation auf verschiedenen Podien und hält Vorträge rund um die Themen der Digitalisierung.

Die Chancen sind ungleich verteilt

Die Erhebungen aus dem „D21-Digital-Index“ zeigen erhebliche Unterschiede beim Zugang zu mobilen Arbeitsmöglichkeiten. Männer sind demnach doppelt bis dreifach so häufig privilegiert wie Frauen: Sie erhalten von der Arbeitsstelle viel häufiger die notwendigen Geräte und Systeme, um auch mobil arbeiten zu können. Eine mögliche Erklärung ist, dass diese Geräte, beispielsweise auch als Statussymbol, häufig Management- und Führungspositionen vorbehalten sind, in denen Frauen noch unterrepräsentiert sind. Auch zwischen jüngeren und älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zeigen sich Unterschiede: Bei den über 50-Jährigen ist fast jede/r Zweite (46 Prozent) ohne bereitgestellte Hard- oder Softwareausstattung, die mobiles Arbeiten erlauben würde. Am besten ausgerüstet dafür sind die 30- bis 49-Jährigen, die jeweils am häufigsten Laptop, Smartphone oder Tablet gestellt bekommen und mit Zugriff per VPN oder Videokonferenz-Tools mobil arbeiten können – allerdings insgesamt auch nur auf mittlerem Niveau.

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Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssen für die Angestellten Voraussetzungen schaffen, um das mobile Arbeiten zu ermöglichen. Dazu gehören nicht nur die notwendige technische Ausstattung, Infrastruktur und Zugriffsmöglichkeiten auf Daten, Kontakte und Kommunikationsmöglichkeiten. Die zeitliche und örtliche Entkopplung erfordert auch ein starkes Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern zu ihren Angestellten.

Insbesondere was die Bewertung der Arbeit angeht, braucht es beispielsweise eine Abkehr der Präsenzkultur, hin zu einer Ergebnisorientierung. Gerade jüngere Menschen freunden sich mit diesen Arbeitsmodellen an und legen zusehends Wert auf die Annehmlichkeiten des modernen Arbeitens, um ihre „Work-Life-Balance“ bzw. die Vereinbarkeit von Privatem und Beruf zu verbessern. Nicht zuletzt tun sich also auch Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mit dem Öffnen für entsprechende Arbeitsmodelle im Ringen um guten Nachwuchs einen Gefallen.

Hinsichtlich der IT-Sicherheit bedarf es der notwendigen Rahmenbedingungen durch den Betrieb und der notwendigen Kompetenzen bei den Mitarbeitenden. Diese wiederum müssen dazu bereit sein, sich auf neue Technik und Anforderungen einzustellen und sich regelmäßig fortzubilden. Das moderne Arbeiten ist keine Einbahnstraße. Die Arbeitswelt wird sich der fortschreitenden Digitalisierung zunehmend öffnen müssen. Auch der politische Wille für die Schaffung entsprechender rechtlicher Rahmenbedingungen ist mit dem Koalitionsvertrag formuliert. Dazu gehören klare und transparente Regeln von Telearbeit, Homeoffice und mobilem Arbeiten, kontinuierliche Kommunikation und gegenseitiges Vertrauen. Dann können mehr Menschen die Chancen des mobilen und flexiblen Arbeitens ergreifen und von den Vorteilen des modernen Arbeitens profitieren.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2018 – Arbeitswelten der Zukunft.

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