Hilfe zur Selbsthilfe: Bürgerengagement braucht Ermöglichungskultur

IAT-Studie untersucht neue Projekte und Ansätze der Daseinsvorsorge

Kindergartenplätze sind Mangelware, Hallenbäder werden geschlossen, Vereine haben keine Räume. In Zeiten des demografischen Wandels und der sinkenden Budgets mangelt es vielerorts an der Grundversorgung. Insbesondere kleine Städte und Gemeinden im ländlichen Raum fragen sich, wie sie die Nachfrage an sogenannter Daseinsvorsorge finanzieren sollen. Während der Problemdruck steigt, versuchen immer mehr Bürger pragmatische und innovative Lösungen zu finden. In einer Studie für das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) und das Bundesumweltministerium hat das Institut Arbeit und Technik (IAT) der Westfälischen Hochschule eine Bestandsaufnahme neuartiger Kooperationen und Finanzierungsmodelle im Bereich der sozialen und kulturellen Infrastruktur vorgenommen.

Gemeinsam anpacken: Bürgerschaftliches Engagement beim Bau des Leohauses in Olfen © Bürgerstiftung Leohaus/Gaby Wiefel

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Die Studie identifizierte insgesamt 160 Projekte und Initiativen. Darüber hinaus wurden elf Fallbeispiele im Hinblick auf ihre zentralen Rahmenbedingungen und Erfolgsfaktoren analysiert. In Olfen im südlichen Münsterland gründeten Bürger beispielsweise die Stiftung „Unser Leohaus“ und belebten das ehemals kirchliche und dann 2006 aufgegebene Gemeindehaus wieder. Das Projekt wurde von öffentlicher Hand bei der Konzeptentwicklung und in der Bauphase mit Rat und Tat unterstützt und soll in diesem November wiedereröffnet werden.

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sich bundesweit in sozialen und kulturellen Bereichen eine neue Verantwortungsteilung zwischen Kommunen und Bürgerschaft bildet. Viele Bürgerinnen und Bürger wollen sich nach ihren Möglichkeiten für ihre Kommune engagieren - als Wissensgeber, als Co-Produzent öffentlicher Leistungen oder als Geldgeber. „Kommunen sollten für dieses Engagement offen sein und eine Ermöglichungskultur im Sinne einer Hilfe zur Selbsthilfe schaffen“, so das Forscherteam um Dr. Stefan Gärtner, Leiter des Forschungsschwerpunkts Raumkapital am IAT.

Projekte sind laut der Studie besonders dann erfolgreich, wenn sie von engagierten Ehrenamtlern getragen werden, die andere Menschen motivieren und einbinden können. Gleichzeitig ständen die Kommunen aber weiterhin in der Verantwortung als Gewährleistungsinstanz für ein angemessenes Angebot der Daseinsvorsorge zu sorgen.

Für Menschen, die hier aktiv werden wollen, wurde jetzt ein Leitfaden speziell zum Thema Daseinsvorsorge erstellt. Die Empfehlungen reichen bis zu möglichen Rechts- und Organisationsformen oder Fragen der Finanzierung. Zugleich zeigt der Ratgeber Kommunen Möglichkeiten auf, wie bei Bürgerinnen und Bürger Hemmschwellen abgebaut werden können, die Aufgaben vor der Haustür selber mit anzupacken.

 

 


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Kommentare (3)

  1. Nicola Hengst-Gohlke
    Nicola Hengst-Gohlke am 17.11.2015
    Die Herausforderung ist meiner Meinung, dass in den Rathäusern immer noch zu viele Verwalter sitzen, es aber Gestalter und Ermöglicher braucht. Leitbilder wie "Wir sind eine offene, bürgerfreundliche und dienstleistungsorientierte Kommune" lesen sich immer gut. Papier ist geduldig - die Realität sieht oft anders aus. Es braucht einfach mehr Wandlungsfähigkeit im öffentlichen Sektor. In diesem Zusammenhang gefallen mir die drei Rollenprofile der Wandelgestalter (www.wandelgestalter.de) sehr gut:
    In den Verwaltungen braucht es Potenzialentdecker, Beziehungsmanager und Wandelgestalter. Und natürlich ein Zusammenspiel zwischen ihnen. Zudem müssten seitens der Lokalpolitik Ängste abgebaut werden, Bürger/innen könnten "mächtiger" werden als die Politiker/innen selbst. Die aktuellen Aufgaben sind jedoch so umfangreich und komplex, dass es nur gemeinschaftlich geht. Den Stadtoberhäuptern kommt in dem gesamten Prozess eine sehr wichtige Rolle zu: Wenn sie das angstfreie Ermöglichen vorleben, dann wird dies auch in der Kommune langfristig Schule machen.