Teamarbeit in räumlich verteilten Strukturen

Ein Expertenbeitrag von Prof. Dr. Dietrich von der Oelsnitz, Technische Universität Braunschweig Technischer Fortschritt und fortschreitende Spezialisierung machen es vielen Organisationen immer schwerer, ohne Kooperation von Expertinnen und Experten aus verschiedenen Disziplinen außergewöhnliche Leistungen zu erbringen. Dabei besteht zwischen der Leistung eines Teams und der Leistungsfähigkeit der versammelten Individuen eine wechselseitige Abhängigkeit: Hoch- und Höchstleistung beginnen zwar immer auf der Ebene des Individuums – auffällig ist in der Praxis jedoch auch: Teams, deren Mitglieder formal die gleichen Qualifikationen aufweisen, können sich hinsichtlich ihrer Effektivität im Einzelfall enorm voneinander unterscheiden. Mit anderen Worten: Es sind insbesondere die sozialen Prozesse innerhalb des Teams, die die Qualität des Miteinander-Arbeitens, die den Gesamterfolg ausmachen.

Und genau diese sozialen Prozesse sind es, die man bei räumlich verteilter (häufig eben auch digital vermittelter) Arbeit in den Blick nehmen und gezielt fördern muss. Teams sind kollektive Arbeitsorganisationen, die eben nicht nur Vorteile bringen, sondern auch ihre spezifischen „Kosten“ haben. Zu diesen Kosten zählt vor allem die besondere Managementbedürftigkeit von heterogenen und/oder geographisch verteilten Gruppen. Der Planungs- und Führungsaufwand ist hier in der Regel deutlich höher. „Digital Leadership“ – also das Führen auf Distanz, vorwiegend über elektronische Medien – wird zu einer Schlüsselkompetenz der heutigen Arbeitswelt. Mit zunehmendem Interdependenzgrad wäre allerdings eine wenigstens temporäre Zusammenführung der Teammitglieder zu erwägen – nur so wird ein dichtes Interagieren und reichhaltiges Kommunizieren möglich, wie es z. B. bei Innovationsteams erforderlich ist. Die auf den MIT-Forscher Thomas J. Allen zurückgehende Beobachtung, dass 80 Prozent aller betrieblich realisierten Ideen auf direkten Kontakt von Angesicht zu Angesicht zurückzuführen sind, weist auf die essentielle Bedeutung persönlicher Gespräche hin. Daran ändert auch die gestiegene Leistungsfähigkeit elektronischer Kommunikationstechnologien nichts.

Prof. Dr. Dietrich von der Oelsnitz ist Leiter des Instituts für Unternehmensführung und Inhaber des Lehrstuhls für Organisation und Führung an der Technischen Universität Braunschweig. Er studierte Wirtschaftswissenschaften und Wirtschaftspsychologie an der Technischen Universität Braunschweig sowie der Georg-August-Universität Göttingen. Er promovierte 1993 zum Thema Krisenmanagement und wurde 1999 habilitiert (Thema: Strategie-Implementierung).

  • der sorgfältige Vertrauensaufbau zu Beginn der Zusammenarbeit;
  • die allgemeine Sensibilität gegenüber interkulturellen Unterschieden
  • die Aufstellung klarer Kommunikations- und Verhaltensregeln (z. B. Beantwortung von E-Mails innerhalb eines gewissen Zeitraums);
  • die an der Aufgabenkomplexität, aber auch an den kulturellen Gepflogenheiten ausgerichtete Wahl des adäquaten Kommunikationsmediums;
  • die Kompatibilität der verwendeten Soft- und Groupware (hierunter versteht man eine Software, die die Zusammenarbeit einer räumlich oder zeitlich getrennten Gruppe effektiv unterstützt, wie z.B. IBM Notes oder Microsoft Exchange) und die eindeutige Klärung von Zugangsfragen sowie
  • eine besonders aktive Führung, die klare Arbeitspakete definiert, auf die Einhaltung von Terminen achtet, regelmäßige Fortschrittskontrollen durchführt und typische Konflikte reguliert (z. B. die gefürchtete Subgruppenbildung: die Mitglieder übergroßer Teams neigen dazu, sich in homogenen Untergruppen zusammenzuschließen und gegen andere Teilgruppen zu opponieren).

In standortübergreifenden Teams, deren Mitglieder sich nie begegnet sind oder die bisher nur via Skype in Kontakt standen, besteht zudem eine latente Gefahr: Stützt sich deren Einschätzung voneinander allein auf diese Informationsquelle, können leicht stereotype Charakterzuschreibungen oder Vorurteile entstehen. Auch virtuelle Teams brauchen daher „eigentlich“ den direkten Kontakt. Als zentrale Erfolgsbedingungen virtueller Teams haben sich herauskristallisiert:

Auch interessant

Wie Singen Identität stiftet

Corporate Identity durch gemeinsames Singen

Zum Artikel

Eine Arbeitsgruppe wird vor allem aufgrund ihrer speziellen Art des Zusammenwirkens erfolgreich. Ein hoher Teamzusammenhalt, gemeinsam erlebte Erfolge und qualitativ hochwertige Prozesse tragen dazu bei, dass sich ein Einzelner stärker mit seinem Team verbunden fühlt. Bei den Mitgliedern sollte die Verschmelzung von Selbst- und Teamwahrnehmung stattfinden, d. h. die Beteiligten denken von sich und dem Team in ähnlicher Weise bzw. definieren sich über die Teamzugehörigkeit. Unter Bedingungen virtueller Zusammenarbeit ist eine solche Identitätsbildung naturgemäß um einiges schwieriger herzustellen – bei Beachtung dieser Grundsätze kann sie dennoch gelingen.


Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2018 – Arbeitswelten der Zukunft.

Weitere Informationen

Literatur zum Thema

Busch, M. & von der Oelsnitz, D. (2018): Teammanagement - Grundlagen erfolgreicher Zusammenarbeit. Kohlhammer: Stuttgart

von der Oelsnitz, D./ Staiger, A.-M. (2017): Arbeit 4.0 - Führung und Organisation im digitalen Wandel, in: Schwuchow, K./Gutmann, J. (Hrsg.): HR-Trends 2018. Strategie, Kultur, Innovation, Konzepte, Freiburg 2017, S. 258-267.