Assistenzsysteme erkennen Emotionen und warnen vor Überlastung

Von den Entscheidungen der Fluglotsinnen und Fluglotsen hängen Menschenleben ab. Der Stress an diesem Arbeitsplatz steht der Situation im Cockpit in nichts nach. Etwa 2.000 Angestellte der Deutschen Flugsicherung (DFS) sorgen dafür, dass sich Flugzeuge weder in der Luft noch auf Rollwegen und Pisten zu nah kommen. Da das zivile Flugaufkommen immer weiter steigt, erhöht sich auch die Belastung für die Menschen vor den Radarbildschirmen.

Forschende des Kompetenzzentrums „Virtual Humans“ der Technischen Universität Chemnitz (TU Chemnitz) haben den Stresslevel an Flughäfen und in den Kontrollzentralen untersucht. Das Projekt „MACeLot“ hat Erkenntnisse gesammelt, wie ein Computersystem die kognitive und emotionale Belastung bestimmen kann.

Es funktioniert wie beim Menschen. Auch Computer können Emotionen verlässlicher erkennen, wenn möglichst viele unterschiedliche Informationen vorliegen. Das Chemnitzer Team geht daher interdisziplinär vor. Die Psychologinnen und Psychologen messen mit Hilfe einer Blickverfolgungsbrille die Pupillengröße und mit einem Armband die Hautleitfähigkeit. Beides sind gute Indikatoren für Stress. Die Informatikerinnen und Informatiker sammeln Daten zu Körperhaltung, Gesichtsausdruck und Sprache, um daraus emotionale Zustände abzuleiten. Die Computer müssen auf die Gefühlsäußerungen des menschlichen Gegenübers trainiert werden. Dafür braucht es möglichst viele Beispiele. „Auf Grundlage sämtlicher erfasster Daten wurde ein Modell zur Berechnung der kognitiven und emotionalen Belastung von Fluglotsinnen und Fluglotsen abgeleitet und in ein prototypisches Assistenzsystem integriert“, berichtet Professor Guido Brunnett, der Sprecher des Kompetenzzentrums „Virtual Humans“. Dieses Assistenzsystem zeigt dem Supervisor die aktuelle Belastungssituation der Fluglotsinnen und Fluglotsen an und liefert ihm dadurch Entscheidungshilfen zur Abwendung von Stresssituationen.

Im Rahmen der Forschungsarbeit entstanden auch Vorschläge für ein neues Design der Arbeitsumgebung. „Ein von uns empfohlenes Interface bietet eine bessere Übersicht in Gefahrensituationen, da es zentrale Informationen hervorhebt“, erläutert Linda Pfeiffer von der TU Chemnitz. Die DFS weiß das zu schätzen. Neuerungen in den betrieblichen Lotsenalltag einzuführen, sei allerdings anspruchsvoll. Innovationen müssen strenge Sicherheitstests durchlaufen. Zudem gelte es, Persönlichkeitsrechte zu beachten. Die Forschungsergebnisse könnten aber zunächst in Entwicklungen und Trainings am Simulator einfließen. „Wir haben deutliche Hinweise, dass wir dadurch die kognitive und emotionale Belastung besser erheben können als zum Beispiel rein mit der Abfrage der Belastung bei den Lotsinnen und Lotsen selber“, erklärt Jörg Buxbaum von der DSF.

Für die Beteiligten steht fest, dass auch bei fortschreitender Digitalisierung und Technisierung der Mensch ein zentraler Faktor im technischen Fortschritt bleiben wird. „Daher arbeiten wir daran, unsere digitalen Menschmodelle so zu konzipieren, dass sie menschliche Emotionen erkennen können und entsprechend handeln“, resümiert Guido Brunnett.

22.02.2018