Vorbeugen von Verletzungen dank Industrie 4.0

Der Mensch an der Verpackungsmaschine bewegt sich wie immer. Eine Kamera an der Maschine filmt den Arbeitsablauf. Software analysiert das Geschehen im Live-Modus. Die „Ergonomics in Motion“-Ampel springt auf Rot.

Muskel-Skelett-Erkrankungen und insbesondere Rückenschmerzen gehören zu den häufigsten Gesundheitsproblemen in der Arbeitswelt. Die Probleme stellen sich aber nicht von heute auf morgen ein. Monotone und wiederkehrende Bewegungen über einen längeren Zeitraum können die Beschwerden hervorrufen. Es gilt, diese körperlichen Belastungen am Arbeitsplatz im Einzelnen schnell und einfach zu erkennen. Zu diesem Zweck hat ein Team der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig) ein kamerabasiertes System entwickelt. „Ergonomics in Motion“ erfasst die Belastungen von Rücken, Schultern und anderen Gelenken am Arbeitsplatz in Echtzeit. Das Maß der Belastung erscheint in Ampelfarben auf dem System-Monitor.

„Ergonomics in Motion“ wurde von der HTWK-Forschungsgruppe „Laboratory for Biosignal Processing“ beispielhaft in der Fahrzeugfertigung und in der Logistik entwickelt und erprobt. Gerade im Verpackungsgewerbe laufen zahlreiche Arbeitsschritte nach wie vor manuell ab. Waren müssen aufgehoben, verpackt, verschlossen, verstaut und transportiert werden. Maschinen übernehmen den einen oder anderen Arbeitsschritt. Wo die menschliche Arbeitskraft für das Heben, Stemmen, Schieben und Ziehen zuständig ist, sollte es so ergonomisch und gesund wie möglich zugehen. Das System hilft dabei, die Gefahren am jeweiligen Arbeitsplatz zu erkennen. Schon kleine Änderungen im Bewegungsablauf können die Gelenke schonen. „Das unmittelbare Feedback durch ‚Ergonomics in Motion‘ kann helfen, Arbeitsplätze zu bewerten und anzupassen oder Mitarbeiter in ergonomischen Bewegungsabläufen zu schulen“, erklärt Gerold Bausch von der HTWK Leipzig. Das Know-how des Systems steckt vor allem in der Software. Sie gleicht in Echtzeit die Kameraaufnahmen mit ergonomischen Leitlinien ab. Daraus leitet das System ab, wie gesundheitsschädlich ein Bewegungsablauf ist. „Bei der Entwicklung war uns wichtig, dass das System unkompliziert einsetzbar ist. So ist zum Beispiel keine spezielle Kameratechnik nötig. Neben einer Live-Analyse vor Ort können wir auch Videos auswerten, die mit einem Smartphone aufgenommen wurden“. Ein Unternehmen erhält dann zwar kein unmittelbares Feedback, kann aber mit geringem Investitionsaufwand seine Arbeitsplätze analysieren.

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Vom 25. bis 27. September 2018 präsentiert sich „Ergonomics in Motion“ auf der Nürnberger Fachmesse „FachPack" am Stand von Gigant Verpackungstechnik. Der österreichische Verpackungsmaschinen-Hersteller möchte das System in Zukunft nutzen, um Arbeitsplätze mit händischen Packprozessen zu analysieren und individuell an die Bedürfnisse der Mitarbeitenden anzupassen. So wird die wissenschaftliche Expertise in den Arbeitsalltag überführt.

20.09.2018