Einsatz technischer Unterstützungssysteme in der zukünftigen Arbeitswelt

Ein Expertenbeitrag von Dr.-Ing. Robert Weidner, Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg Trotz der zahlreichen Ansätze zur Automatisierung von Teilprozessen bis hin zu kompletten Prozessketten werden auch in Zukunft zahlreiche Tätigkeiten manuell erfolgen. Begründet liegt dies zum einen in den einzigartigen Fähigkeiten und Fertigkeiten des Menschen und zum anderen an dem häufig hohen finanziellen und zeitlichen Aufwand zur Entwicklung und Realisierung automatisierter Systeme. Entsprechende Tätigkeiten wie bspw. die Handhabung von Werkzeugen und Komponenten in unter Umständen erschwerenden und unergonomischen Körperhaltungen, wie in und über Kopfhöhe, können zu starken physischen Belastungen führen. Zur Unterstützung der Belegschaft bei der Ausführung manueller Tätigkeiten lassen sich verschiedene technische Systeme einsetzen. Eine Kooperation von Mensch und Technik bietet sich an, da hierdurch die komplementären und zum Teil konträren Fähigkeiten zeitgleich genutzt werden können.

Robert Weidner studierte bis zum seinem Abschluss im Jahre 2010 Maschinenbau an der Technischen Universität Hamburg. Seitdem ist er Wissenschaftler am Laboratorium Fertigungstechnik der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg. Dort ist er aktuell Forschernachwuchsgruppenleiter des durch das BMBF geförderten Projekts smartASSIST sowie Gruppenleiter Robotik.

Manuelle Tätigkeiten, wie bspw. in der industriellen Produktion, können zu verschiedenen Belastungen führen. Zudem weisen sie unterschiedliche Charakteristika, bspw. hinsichtlich notwendiger Gewichte, Bewegungsgeschwindigkeit und Zeit, auf.
Auch wenn Exoskelette als eher universell angesehen werden können, müssen diese an die Randbedingungen sowie an die Eigenschaften des Nutzenden und ebenso in Abhängigkeit des Kontextes angepasst werden. Die zentralen Anforderungen können sich signifikant unterscheiden. Primär müssen die Unterstützungssysteme die notwendigen Bewegungen des Nutzenden ermöglichen. Dies kann durch geeignete Kopplung von harten Strukturelementen über diskrete Freiheitsgrade erreicht werden. Alternativ (oder zusätzlich) ist es möglich, über weiche (Textil-) Elemente (Gurte, Seile, etc.) den Nutzenden zu entlasten.
Je nach Kontext sind andere Gestaltungsvarianten zu bevorzugen. In technikaffinen Bereichen wie der industriellen Produktion bestehen nur geringe Hemmungen, technisch aussehende Systeme mit starren Strukturelementen einzusetzen, wohingegen in Bereichen wie der Pflege eine weichere Systemstruktur zu bevorzugen ist. Ansatzpunkte für die Unterstützung sind Haltungen oder Bewegungen, die besonders belastend sind. Dies setzt in der Regel eine gute Kenntnis über den Arbeitsplatz voraus, um das unterstützende System hinsichtlich der kontextspezifischen Anforderungen auslegen zu können. Eine vollständige Entlastung, sprich eine Substitution, ist aber nicht in allen Fällen zielführend. Vielmehr kann durch eine Integration von Technik, in Form von Exoskeletten, eine Überlastung vermieden bzw. das Potential hierfür verringert werden, um das Risiko für einen vorzeitigen Verschleiß zu verringern.

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Für die industrielle Produktion existieren verschiedene Ansätze und Systeme zur Unterstützung (manueller) Tätigkeiten. Der Einsatz entsprechender Systeme erfolgt mit unterschiedlicher Zielsetzung, z. B. Entlastung der Mitarbeitenden, Verbesserung der Produktivität oder Reintegration leistungsgewandelter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ein beispielhaftes Unterstützungssystem, das aktive System Lucy für Tätigkeiten in und über Kopfhöhe bspw. für Aufgaben in der Luftfahrtindustrie, Automobilindustrie oder Handwerk, ist in der Abbildung  dargestellt. Das Unterstützungssystem Lucy verfügt über eine sich auf dem Becken abstützende Rückenstruktur an der im Nackenbereich ein Schulterbügel montiert ist.

Die Fähigkeiten des Menschen und die daraus resultierende Bedeutung des Menschen werden häufig unterschätzt. Oft sind Aufgaben in ergonomisch ungünstigen Positionen durchzuführen oder schwerere Objekte, z. B. Bauteile und Komponenten, zu handhaben. Dies definiert Ansatzpunkte für Unterstützungssysteme zur physischen Unterstützung, ohne den Menschen durch technische Systeme zu substituieren.


Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2018 – Arbeitswelten der Zukunft.