Gesundheit und psychische Belastungen in der modernen Arbeitswelt

Ein Expertenbeitrag von Prof. Dr. Karlheinz Sonntag, Arbeits- und Organisationspsychologie der Universität Heidelberg Kaum ein Geschäftsbereich bleibt in der heutigen Arbeitswelt von digitalen Prozessen unberührt. Damit stehen Beschäftigte neuen, sich wandelnden Anforderungen gegenüber. Wie sich digitale Technologien langfristig auf unsere Gesundheit auswirken, wissen wir im Moment noch nicht, denn hierzu fehlt bislang belastbare Forschung. Allerdings steht außer Frage, dass die Beschleunigung, Vernetzung und Flexibilisierung der Arbeit zunimmt – und damit auch psychische Belastungsfaktoren am Arbeitsplatz.

Prof. Dr. Karlheinz Sonntag ist Inhaber des Lehrstuhls für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Heidelberg. Die Schwerpunkte seiner Forschung liegen unter anderem in der humanen Gestaltung digitalisierter Arbeitswelten, der Bewältigung von Veränderungsprozessen, der Personalentwicklung sowie im Kompetenz- und Gesundheitsmanagement. Er ist Leiter des Projektes „Maßnahmen und Empfehlungen für die gesunde Arbeit von morgen“ (MEgA).

Psychische Belastung in einer dynamischen Arbeitswelt meint vor allem Zeitdruck, Arbeitsintensität und wachsende Verantwortung. Auch störende Unterbrechungen und Multitasking sind potenzielle Stressoren für Beschäftigte. Mit der Vielfalt und Dichte der Informationen und deren schnelle Verarbeitung haben nicht nur ältere, sondern auch jüngere Mitarbeitergenerationen zu kämpfen. Für alle gilt: Neben fachlichen Qualifikationen sind vor allem solche Kompetenzen bedeutsam, die den Umgang mit digitalen Technologien betreffen – etwa Lernbereitschaft oder die Fähigkeit zur Selbstregulation bzw. Eigenverantwortung bei der Nutzung mobiler Endgeräte.

Eng verknüpft sind Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz mit der Work-Life-Balance. Indem Arbeit zeitlich und räumlich immer flexibler wird, gibt es für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keine klare Grenze zwischen Arbeit und Freizeit mehr. Immer häufiger nehmen Beschäftigte berufliche Tätigkeiten auch in ihrer Freizeit wahr. Vor allem von Führungskräften wird erwartet, außerhalb der regulären Arbeitszeit erreichbar zu sein – Stichwort digitale Omnipräsenz.

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Umso wichtiger ist es, gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen zu reduzieren sowie Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden zu fördern. Hier bietet die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen viel Potenzial, deren Einsatz im Arbeitsschutzgesetz (§ 5,Abs. 3, Pkt. 6, ArbSchG) und in der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA, Arbeitsprogramm Psyche 2016) normativ hinterlegt ist. Dabei werden relevante Gefährdungen und potenzielle Stressoren, denen Beschäftigte durch ihre berufliche Tätigkeit ausgesetzt sind, systematisch ermittelt und bewertet. Zu den psychischen Belastungsfaktoren zählen zum Beispiel Arbeitsintensität, Handlungsspielraum und Konzentrationserfordernisse.

Auch die Digitalisierung selbst bietet Chancen für eine präventive Arbeitsgestaltung. Zum Beispiel können digitale Assistenzsysteme dazu beitragen, Belastungen zu reduzieren und individuelle Teilhabechancen in einer älter und vielfältiger werdenden Gesellschaft zu verbessern.

 

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2018 - Arbeitswelten der Zukunft.