Roboter führen nicht zu Massenarbeitslosigkeit

Ein Expertenbeitrag von Prof. Dr. Jens Südekum, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Düsteren Prophezeiungen zufolge sind fast die Hälfte aller Arbeitsplätze gefährdet, demnächst durch neue Technologien ersetzt zu werden. Aber führt die Digitalisierung tatsächlich zu Massenarbeitslosigkeit? Die Antwort ist nein! Die Fakten sprechen dagegen. In unserer Forschung haben wir den Einfluss von Industrieroboter auf dem deutschen Arbeitsmarkt untersucht. Dabei finden wir keinerlei Bestätigung für die These, dass Roboter die Gesamtzahl der Arbeitsplätze reduziert haben. Negative Effekte zeigen sich zunächst im verarbeitenden Gewerbe. Dort reduziert ein zusätzlicher Roboter durchschnittlich gut zwei Jobs. Im Zeitraum von 1994-2014 wurden 131.000 Roboter in Deutschland installiert. Dies führte also zu einem Rückgang von rund 275.000 Vollzeitjobs. Diese beträchtlichen Verluste wurden jedoch durch Arbeitsplatzgewinne außerhalb der Industrie, vor allem bei wirtschaftsnahen Dienstleistungen, vollständig ausgeglichen.

Jens Südekum (geb. 1975 in Goslar) ist Universitätsprofessor für Internationale Volkswirtschaftslehre am Düsseldorfer Institut für Wettbewerbsökonomie (DICE) an der Heinrich-Heine-Universität. Er ist ein international ausgewiesener Experte zu Fragen des globalen Handels, der Arbeitsmarkt- und der Regionalökonomik. Das Handelsblatt zählte ihn 2017 zu den 100 publikationsstärksten deutschsprachigen Ökonomen weltweit und die FAZ wählte ihn im 2017er Ranking zu einem der 100 einflussreichsten deutschen Ökonomen.

Mit anderen Worten: Roboter haben die Struktur der Beschäftigung verändert, aber nicht die Gesamtzahl der Jobs. Nun kann Strukturwandel für den einzelnen Beschäftigten trotzdem schmerzhaft sein. Es zeigt sich aber, dass Roboter nicht zu direkten Entlassungen geführt haben. Die Unternehmen schufen aber weniger neue Arbeitsplätze für Berufseinsteiger. Der Strukturwandel verlief also über Generationen hinweg.
Neue Technologien sollten Gesellschaft und Politik also nicht in Panik versetzen. Wellen der Massenarbeitslosigkeit stehen nicht an. Viele der Horrorszenarien, die in den Medien verbreitet werden, sind substanzlos, spekulativ und entbehren einer wissenschaftlichen Grundlage.
Das bedeutet aber nicht, dass wir uns einfach zurücklehnen können. Das eigentliche Problem der Digitalisierung liegt woanders: sie kann zu stärkerer Ungleichheit der Einkommen und Vermögen führen und dadurch den gesellschaftlichen Zusammenhalt bedrohen.

Auch interessant

Hannoveraner „roboterfabrik“ bildet Robonatives aus

Leuchtturmprojekt der LUH erhält Prädikat "Ausgezeichneter Ort" 2018

Zum Artikel

Nach unseren Untersuchungen führt steigender Robotereinsatz zu Einkommensgewinnen bei hochqualifizierten Beschäftigten mit Universitätsabschluss. Dies gilt vor allem in Forschungs- und Managementpositionen. Aber bei Facharbeitern mit abgeschlossener Berufsausbildung, die oftmals manuellen Routinetätigkeiten nachgehen, zeigten sich negative Auswirkungen auf die Erwerbseinkommen. Zudem konnten wir feststellen, dass Roboter zwar die durchschnittliche Arbeitsproduktivität und die Gewinne erhöhen, aber nicht zu einer Erhöhung der Durchschnittslöhne führten. Die Erträge aus dieser neuen Technologie fallen also nicht beim Faktor Arbeit an. Bislang waren diese Verteilungseffekte noch moderat. Aber sie können in Zukunft stärker werden, etwa durch die weitere Entwicklung der künstlichen Intelligenz (KI).

Die Gesellschaft sollte über dieses tatsächliche Problem der Digitalisierung diskutieren. Antworten reichen von mehr klassischer Einkommensumverteilung über Modelle des bedingungslosen Grundeinkommens bis hin zu Formen der Mitarbeiterbeteiligung am Kapitalstock oder den Unternehmensgewinnen.

Die Kernfrage lautet: Wem gehören die Roboter und Algorithmen? Ist der Besitz daran breit gestreut, werden die neuen Technologien zu erheblichen gesamtgesellschaftlichen Verbesserungen führen.


Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2018 - Arbeitswelten der Zukunft.