Künstliche Intelligenz in den Dienst von Mensch und Umwelt stellen

Ein Expertenbeitrag Dr.-Ing. Benjamin Mewes und Dr.-Ing. Henning Oppel,  Okeanos Consulting & Ruhr-Universität Bochum

Der Klimawandel stellt unsere Gesellschaft vor große Herausforderungen. Im Jahr 2018 konnte man die Einflüsse von Extremereignissen wie Dürren und Starkregenfällen in unserem Alltag erleben: Von urbanen Sturzfluten, Ernteausfällen aufgrund verbrannter Pflanzen, bis hin zur eingestellten Rheinschifffahrt mit einhergehenden Produktionseinstellungen in Industrie und Energieerzeugung.  Durch die steigende Frequenz von Extremereignissen zeigt sich der Bedarf an Anpassungsstrategien, um mit den Problemen des Klimawandels gesellschaftlich verträglich umzugehen.

Benjamin Mewes und Henning Oppel sind wissenschaftliche Mitarbeiter am Lehrstuhl für Ingenieurhydrologie an der Ruhr-Universität Bochum. Dort haben sie in ihren Dissertationen an der Schnittstelle Hydrologie und Data Science neue Ansätze für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Hydrologie und Wasserwirtschaft entwickelt. Neben der angestrebten Ausgründung mit dem Namen Okeanos sind sie die Autoren zahlreicher Publikationen auf diesem Gebiet.

Wenn wir den Blick auf KI und Nachhaltigkeit richten, dürfen wir aber auch den wachsenden Energie- und Ressourcenverbrauch der Computer und Anwendungen nicht ausklammern. Auch für diese Herausforderung müssen wir innovative und nachhaltige Lösungen finden. Vielversprechende Ansätze gibt es bereits. Anstatt einer konventionellen Klimaanlage wird am Leibniz Rechenzentrum in Garching zum Beispiel eine energieeffiziente Wasserkühlung eingesetzt. In Skandinavien wird die Abwärme der Rechenzentren nicht als ungenutzte Energie an die Umwelt abgegeben, sondern vielerorts ins Fernwärmenetz eingespeist und genutzt, um Büros oder Wohnungen zu heizen. Um noch mehr Wege wie diese zu finden, wie der Energieverbrauch der Digitalisierung reduziert werden kann, brauchen wir mehr Forschung und Förderung im Bereich GreenIT am besten mit einer eigenen Strategie.

Hier können Anwendungen aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz und der Data Science helfen, um vorhandene Umweltdaten besser auszuwerten, die komplexen dynamischen Systeme und Interaktionen zu verstehen und schlussendlich Handlungsempfehlungen und Steuerungen anpassen zu können.
Unsere Umwelt ist ein komplexes Gefüge. Oft sind die in ihr wirkenden Prozesse einzeln verstanden, ihre Interaktionen und Rückkopplungen untereinander jedoch sind mit klassischen Herangehensweise schwer zu erfassen. Der menschliche Einfluss auf die Umwelt erhöht die Komplexität zudem. Ein Beispiel für die Interaktion zwischen Umwelt und Gesellschaft ist der Betrieb eines Wasser-gekühlten Kraftwerks. Dieses entnimmt Kühlwasser aus einem Fluss um die Anlage auf Betriebstemperatur zu halten und gibt das Wasser erwärmt an den Fluss zurück. Kommt es im Rahmen einer Dürre zur Wasserverknappung, oder ist das verfügbare Wasser zu warm, muss das Kraftwerk heruntergefahren werden. Daher muss die Steuerung der Anlage fähig sein die Entwicklung des thermischen Zustands des Gewässers zu prognostizieren und gleichzeitig ihren eigenen Einfluss auf den Zustand erkennen können. Diese Aufgabe ist nur durch den Einsatz einer spezialisierten KI zu lösen. Sie muss klimatische Randbedingungen frühzeitig erkennen und eigenständig Handlungsszenarien entwickeln, um eine Abschaltung der Anlagen zu verhindern.

Neben einer intelligenten Erkennung von klimatischen Situationen, bieten sich auch andere Modelltechniken an, um mehr Informationen aus vorhandenen Daten zu gewinnen. Hier seien unter anderem dynamische Agenten-basierte Modelle genannt, die mit autonom handelnden Softwareeinheiten (Agenten) komplexe Interaktionsmodelle darstellt. Agenten-Ansätze sind dann im Vorteil sobald viele parallel laufende Entscheidungen ein Gesamtsystem ergeben. Als ein solches System kann eine menschliche Gemeinschaft entlang eines Flusses betrachtet werden. Jede einzelne Entscheidung beeinflusst das System und somit die Entscheidungen aller anderen Akteure. Mit Hilfe der Agenten-basierten Modelle und dem Einsatz von KI innerhalb der Entitäten, d.h. das jeder Akteur eigene Lernprozesse durchlaufen kann, lassen sich Anpassungsstrategien entwickeln um eine gerechte Verteilung von knapper werdenden Wasserressourcen zu erreichen. Mittels Künstlicher Intelligenz kann man die einzelnen Agenten dazu befähigen ihre Strategien anzupassen und somit einen Lernprozess abbilden.
Auch wenn die Umweltwirtschaft nicht als der erste Einsatzort für Künstliche Intelligenz erscheint, zeigen die Beispiele ein bisher kaum offengelegtes Potenzial um die Interaktion Mensch-Umwelt besser zu verstehen und unsere Gesellschaft auf den Klimawandel vorzubereiten.

 

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2019 – Künstliche Intelligenz.

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