Künstliche Intelligenz unterstützt den Artenschutz

Ein Expertenbeitrag von Dr.-Ing. Alexander Loos, Fraunhofer Institut für Digitale Medientechnologie (IDMT)

In den letzten Jahrzehnten nimmt die Biodiversität weltweit in einem beispiellosen Ausmaß ab. Tausende von Arten sind vom Aussterben bedroht. Ein moderner Artenschutz und effizientes Naturschutzmanagement in Schutzgebieten auf der ganzen Welt ist essentiell um das Artensterben zu verhindern oder zumindest einzudämmen. Um die Effektivität der Schutzmaßnahmen zu bewerten und die zeitliche Veränderung von Populationsgrößen abschätzen zu können, werden vermehrt autonome Aufnahmegeräte, sogenannte Kamerafallen genutzt.

Dr.-Ing. Alexander Loos ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Gruppe Audiovisuelle Systeme des Fraunhofer Instituts für Digitale Medientechnologie IDMT in Ilmenau. Er leitete das Arbeitspaket „Identifikation von Menschenaffen mittels Gesichtserkennung“ des Kollaborationsprojektes SAISBECO und Entwickelte innerhalb des EU Projektes MICO Algorithmen zur automatischen Detektion und Speziesklassifikation von Wildtieren in Bildern und Videos. Er ist Autor zahlreicher Publikationen auf dem Gebieten der visuellen Tierbiometrie, Computer Vision und des Maschinellen Lernens.

Dabei entstehen riesige Datenmengen. Seit einigen Jahren arbeiten Biologinnen und Biologen sowie Fachleute des Maschinellen Sehens und der Künstlichen Intelligenz intensiv zusammen, um die Daten effizient auszuwerten. Das relativ neue, interdisziplinäre Forschungsgebiet der visuellen Tierbiometrie beschäftigt sich damit, in autonom aufgenommenem Bild- und Videomaterial Tiere automatisch zu erkennen, Spezies zu klassifizieren und einzelne Tiere zu identifizieren.
Zwar werden die Algorithmen zur automatischen Objekterkennung durch den Einsatz tiefer neuronaler Netze stetig besser, die Qualität einer vollautomatischen Analyse ist aber für die Praxis oft noch unzureichend. Dies liegt hauptsächlich in den schwierigen Aufnahmebedingungen im Freifeld, wie z. B. unzureichende Beleuchtung oder Verdeckung begründet.

Einen anderen interessanten Ansatz zur Verschlagwortung (Annotation) großer Datenmengen verfolgt die Citizen Science Plattform Zooniverse, insbesondere das Projekt Snapshot Serengeti, bei dem Tausende Freiwillige Millionen von Bildern mit Anmerkungen versehen und verschlagworten. Die Forschenden erhalten so zeitnah wertvolle Informationen zur Auswertung ihrer Daten.

Aber auch die Citizen Science Projekte profitieren von den jüngsten Entwicklungen in den Bereichen der Computer Vision und Künstlichen Intelligenz. Trotz der Großzahl an freiwilligen Helfern dauert es zwei bis drei Monate um die Datenvielzahl zu annotieren, die in nur sechs Monaten anfallen. Und erwartungsgemäß wird die Datenmenge in den kommenden Jahren aufgrund der besseren und günstigeren Hardware rasant steigen.

Weiterhin zeigen Studien, dass eine unterstützende automatische Analyse helfen kann, sowohl die Nutzungszahl als auch das Engagement von Annotatoren zu erhöhen. Bilder, die keine Tiere beinhalten, können effizient automatisch aussortiert werden. Auch automatisch erzeugte Klassifikationen von Tieren – wenn auch nicht vollkommen korrekt - können eine manuelle Bildannotation beschleunigen. So müssen Freiwillige nicht jedes Tier mühsam markieren, sondern nur in Einzelfällen nicht erkannte Tiere ergänzen bzw. falsch-positiv erkannte entfernen.

Insbesondere als Unterstützung der freiwilligen Citizen Scientists bei der Annotation riesiger Datenmengen leistet die visuelle Tierbiometrie schon heute einen wichtigen Beitrag einen effizienten und wirkungsvollen Artenschutz gewährleisten können.
Auch zukünftig wird die automatisierte Auswertung von Daten in der Naturschutzforschung und beim Artenschutz eine immer wichtigere Rolle einnehmen. Biologinnen und Wildhüter sowie Biologen und Wildhüterinnen sind auf eine schnelle und zuverlässige Verschlagwortung großer Datenmengen angewiesen. Hochspezialisierte Algorithmen können dabei zwar helfen, Citzen Scientists werden aber auch in absehbarer Zeit für eine schnelle und qualitativ hochwertige Datenannotation unabdingbar sein.

 

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2019 – Künstliche Intelligenz.

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