Schneelandschaft



Froh und munter?

Wie Menschen mit Depressionen die Weihnachtszeit erleben

Wenn K. im Advent zu Schere und Klebstoff greift, Tonpapier kauft und in Bastelbüchern stöbert, geht es ihr nicht nur um die Wohnungsdekoration. „Das ist meine Geheimwaffe gegen Stimmungsschwankungen“, verrät sie. Sie brauche solche Rituale im Alltagstrubel, „sonst würde mir schwindelig werden“. Basteln bedeutet Balance.

K. leidet an Depressionen, so wie die anderen Menschen, die das Wissenschaftsjahr Gesundheitsforschung und die Deutsche Depressions-Liga nach ihrer Weihnachtsstimmung gefragt haben. Wir bedanken uns herzlich für die Antworten, die einen kleinen Einblick geben in das Krankheitsbild, von dem derzeit etwa 4,9 Millionen Deutsche betroffen sind.

D. zum Beispiel findet Weihnachten eigentlich „ganz furchtbar“. Erst wenn das Fest vorbei und es wieder ruhiger ist, verlässt sie ihre selbstgewählte Einsamkeit und wandert in der Stille der Natur. „Wichtiger als alle Geschenke der Welt“ ist für sie die Begegnung in der psychiatrischen Tagesstätte am zweiten Weihnachtstag.

„Die Bank bucht nicht ab, die Ämter haben Weihnachtsfrieden“ – E. genießt es ebenfalls, wenn „die Zeit stillsteht“. Allerdings kann das auch dazu führen, dass man sich seines Alleinseins stärker bewusst wird, wie R. schreibt. Für U. ist in den letzten Dezemberwochen besonders der Gedanke beruhigend, „dass da jemand ist, der mich so nimmt, wie ich bin.“

C. dagegen belasten die Erwartungen ihrer Angehörigen an eine schöne Feier: „Ich sehne mich nach Ruhe und Rückzug.“ Da kann A. mitfühlen: Sie hatte im vergangenen Jahr eine schwere depressive Episode zu Weihnachten. 2011 freut sie sich wieder auf die Festtage mit Partner und Familie, auch wenn ein Schatten bleibt.

Offensiv begegnet H. seiner Krankheit: „Ich könnte in stundenlange Grübeleien verfallen – das gönne ich meiner Depression aber nicht!“ Stattdessen sucht er die Gesellschaft von Menschen, hört Musik, liest, besucht Museen und andere Veranstaltungen und engagiert sich ehrenamtlich in einer Selbsthilfegruppe für Depressionskranke.

Viele Betroffene nutzen solche Gruppen, um dort Verständnis und Hilfe für ihre Erkrankung zu finden. Aber auch gesunde Menschen können bei Depressions-Kranken für Freude in der Weihnachtszeit sorgen, wie P. erzählt: „Freunde, von denen man lange nichts gehört hat, melden sich wieder – auch wenn man nicht fähig ist, von sich aus Kontakt aufzunehmen.“ Und G. ergänzt: „In der Weihnachtszeit, wenn in den Fenstern mehr Licht leuchtet, ist es für mich ein wenig leichter.“

Basteln und Natur, Stille und Musik, Einsamkeit und Licht – so individuell wie das Krankheitsbild sind auch die persönlichen Strategien, damit umzugehen. Eine professionelle Behandlung können sie jedoch nicht ersetzen.


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