Weniger Einsatzkräfte bei Fußballspielen: Kommunikative und deeskalierende Strategien können Fans, Polizei und Steuerzahler entlasten

Oftmals werden Fußballfans im öffentlichen Diskurs sehr schnell in einen Zusammenhang mit Gewalt, Krawallen oder Randale gebracht. Es wird ein Fan-Bild gezeichnet, das nur in wenigen Einzelfällen – auch dies sind natürlich schon zu viele – wirklich real vorliegt. Jedoch werden davon positive Verhaltensweisen wie große Choreographien, enormer Einsatz für den Verein oder karitative Aktionen überschattet. Gerade im Umgang mit Fans scheint es aber unumgänglich, sie in ihrer Ganzheitlichkeit zu begreifen und sich ihren Bedürfnissen sowie den Hintergründen ihrer Verhaltensweisen zu öffnen.

Fußballstadion
DFB-Pokal-Viertelfinale 2008: FC Bayern – 1860 München / © Ephesos

Insgesamt scheint das Thema Sicherheit im Stadion – bzw. die teilweise vorliegende Befürchtung ein Stadionbesuch sei eventuell nicht sicher – vor allem ein Thema von Menschen zu sein, die nicht regelmäßig im Stadion sind. Ich denke, dass wir von einer ausgesprochen guten Sicherheitslage in deutschen Stadien sprechen können. Studien belegen: 95 Prozent aller Zuschauer fühlen sich sicher, die Bundesligen sorgen seit Jahren für volle Stadien und immer mehr Familien und Kinder sind unter den Zuschauern. Das Stadion ist zudem aus meiner Sicht nicht anfälliger für Aggression und Eskalation als andere Lebensbereiche. So kann beispielsweise die relative Zahl von Verletzten im Rahmen von Fußballspielen – trotzdem natürlich jeder einzelne zu bedauern ist – im Vergleich etwa zum Straßenverkehr oder anderen Großveranstaltungen als eher niedrig eingestuft werden.

Lediglich bei regionalen Derbys oder Spielen mit spezieller Vorgeschichte sind besonders intensive Sicherheitsvorkehrungen angeraten. Diese Spiele sind von der Polizei aber derart abgesichert, dass im Stadion heutzutage keine Auseinandersetzungen von Fangruppen zu erwarten sind. Konflikte entstehen eher auf den Reisewegen, wobei die Koordination von Fanströmen an Bahnhöfen und Knotenpunkten in den meisten Fällen recht gut geregelt wird. Für beide Einsatz-Szenarien wird von Seiten der Sicherheitsakteure ein enormer Aufwand betrieben, der eventuell durch eine Optimierung der Kommunikationsstrukturen sowie mehr Wissen und Verständnis für das Verhalten und die Bedürfnisse der Fans in seiner Ausprägung verkleinert werden kann. Denn das große Problemfeld im Kontext von Fußballspielen ist in der Beziehungsebene zwischen aktiven Fans und Sicherheitsakteuren zu finden und letztlich nur über mehr Verständnis für, Wissen über und ein differenziertes Verhalten zueinander zu beeinflussen. Zwischen der aktiven Fanszene und Sicherheitsakteuren besteht ein deutliches Konfliktfeld, das durch die beidseitige Ausprägung von Vorurteilen und regelrechten Feindbildern gekennzeichnet ist.

Über den Autor

Gabriel Duttler

Dr. Gabriel Duttler arbeitet als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Sportwissenschaft der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Am Institut für Fankultur forscht er zu den unterschiedlichen kulturellen Ausprägungsformen von (Fußball-)Fans.

Es ist jedoch zu vermuten, dass Transparenz, Dialog sowie ein verstärktes Einbeziehen der Fanperspektive in Sicherheitsstrategien deeskalierend wirken und Konflikte an der Schnittstelle zwischen Fans und Sicherheitsakteuren reduzieren können. Daher widmen sich sieben Verbundpartner im Projekt SiKomFan („Mehr Sicherheit im Fußball - Verbessern der Kommunikationsstrukturen und Optimieren des Fandialogs“) dem übergreifenden Thema Kommunikation im Rahmen von Fußballspielen. Das Projekt SiKomFan betrachtet die dabei stattfindenden Kommunikations- und Interaktionsprozesse zwischen verschiedenen Akteuren innerhalb von Fußballspielen. Ziel des Projekts ist es, im Rahmen von Fußballspielen die Kommunikation von Polizei und Ordnungsdiensten mit Zuschauern und Unbeteiligten zu optimieren. Neben Sicherheitsakteuren soll dabei das sozialwissenschaftliche Arbeitspaket insbesondere auch die Perspektive der Fans und Zuschauer einbeziehen. Dies kann dabei helfen, Strategien der Deeskalation von Polizei und Ordnungskräften genauer zu beschreiben, besonders konfliktträchtige Situationen zu identifizieren sowie gelingende und misslingende Verhaltensweisen aufzuarbeiten.

Zum Zeitpunkt der Projektmitte kann folgendes Fazit gezogen werden: Aus meiner Sicht sollte darauf geachtet werden, die Polizeipräsenz während Fußballspielen natürlich an neuralgischen Punkten aufrechtzuerhalten. Generell sollte die Zahl der Einsatzkräfte aber so weit wie möglich reduziert werden, um kein zusätzliches Konfliktpotenzial zu schaffen, da sich Konflikte oftmals gerade an intensiven Berührungspunkten zwischen Fans und Polizei entwickeln. Insbesondere kommunikative und deeskalierende Polizeistrategien, wie sie im Projekt SiKomFan erforscht werden, sind hierfür geeignet und können zu einer Entlastung der Polizei und des Steuerzahlers, aber auch vieler von Einschränkungen betroffener Fans beitragen.

Weitere Informationen

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Forschungsprojekt „SiKomFan“ im Rahmen des Programms „Forschung für die zivile Sicherheit 2012-2017“ der Bundesregierung mit insgesamt 3,3 Millionen Euro. Die Verbundpartner von SiKomFan:

  • Deutsche Hochschule der Polizei (Verbund-Koordinator) mit dem Fachgebiet „Grundlagen der polizeilichen Einsatzlehre“ und dem Fachgebiet „Öffentliches Recht mit dem Schwerpunkt Polizeirecht“
  • die Westfälische Wilhelms-Universität Münster mit der Forschungsgruppe BEMA/dem Institut für Soziologie
  • die Julius-Maximilians-Universität Würzburg mit dem Institut für Sportwissenschaft
  • das Fraunhofer ESK in München
  • das Fraunhofer IOSB in Karlsruhe
  • die Firma Airbus Defence and Space mit dem Bereich „Studies and Innovative Concepts“

Weitere Informationen zu SiKomFan erhalten Sie hier: http://www.sikomfan.de/

Genauere Informationen zu dem sozialwissenschaftlichen Arbeitspaket finden Sie hier: http://fussballundgesellschaft.de/

Lesen Sie einen weiteren Artikel über das Projekt: http://www.bmbf.de/de/27215.php

 

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2015 – Zukunftsstadt.

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