So viele: Wo Berlin bis 2030 schrumpft und wächst

Die Hauptstadt wächst schneller, als die Bevölkerungsexperten rechnen können. Die Prognose von 250.000 Menschen mehr bis 2030 musste die Senatsverwaltung bereits nach oben korrigieren. Aber Berlin wird nicht überall boomen.

Etwa dreieinhalb Millionen Einwohner leben heute in Berlin – und es werden immer mehr. Die Bevölkerungsprognose 2011-2030 des Berliner Senats sagt voraus: Eine ganze Stadt so groß wie Chemnitz soll hinzukommen. Die neuesten Schätzungen gehen sogar von einem Zuwachs von 400.000 in den nächsten 15 Jahren aus – das wäre mehr als die Einwohnerzahl von Bochum.

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Inzwischen hat Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) die Prognosen sogar nach oben korrigiert. Seit drei Jahren kommen laut dem Landesamt für Statistik Berlin-Brandenburg etwa 45.000 Menschen jährlich hinzu. Geisel geht inzwischen von 3,9 Millionen Berlinern im Jahr 2030 aus. Aber nicht alle Ortsteile sind von dem Wachstum betroffen. Laut Demografen wird es zwei Berlins geben: eines das größer wird und in dem viele Kinder zu Welt kommen. Und ein anderes, das schrumpft und altert.

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Schon jetzt ist an manchen Orten in Berlin eine demografische Teilung zu spüren: in Bezirken wie Lichtenberg beispielsweise. Bürgermeisterin Birgit Monteiro sieht ihren Bezirk als das Start-Up Berlins. Im Süden, an der Rummelsburger Bucht und in Karlshorst wird deutlich was sie damit meint. Hier ziehen Familien ins Grüne und im Club Sisyphos wird bis in die Morgenstunden getanzt. Hohenschönhausen, ein paar Kilometer nördlich, ist dagegen vom Aufschwung weit entfernt. Hier füllen Pflegeheime ganze Hochhäuser und im Schatten der Plattenbauten treffen sich Rentner zum Tratsch.

Beim Blick auf die Prognosen wird klar: Bis 2030 werden die Unterschiede im Bezirk Lichtenberg noch krasser. 15 Prozent mehr Kleinkinder als 2011 im Süden des Bezirks, doppelt so viele Senioren im Norden. Wachstumswunder hier, Einwohnerschwund dort. Was sagen eigentlich die Bewohner zu dieser Entwicklung?

Heinz Schröder lebt in Hohenschönhausen, Moritz Wolter in Karlshorst. Beide Stadtteile liegen im gleichen Bezirk, die Zukunftsaussichten aber weit auseinander.

Auch in anderen Teilen Berlins außerhalb des Berliner S-Bahn-Rings prallen die demografischen Extreme aufeinander. Marzahn wird im Vergleich zu 2011 mehrere tausend Einwohner verlieren und stark altern: 15 Prozent junge Erwachsene weniger, 71 Prozent Senioren mehr. Im Süden Berlins schrumpft Marienfelde, im Norden Waidmannslust. Und das in direkter Nachbarschaft zu Berlins Boom-Vierteln.

Pankow steht vor einer Bevölkerungsexplosion. Im äußersten Norden, in Buch, wird sich die Einwohnerzahl nahezu verdoppeln - dort sollen alle Altersklassen wachsen: Mehr Kleinkinder, mehr Erwerbstätige, mehr Senioren. Der Süden des Bezirks hingegen entwickelt sich zum Rentnerdomizil. Rund um den Kollwitzkiez wird die Zahl der Senioren um über 50 Prozent steigen. 2030 könnten dort Rollatoren statt Kinderwägen das Straßenbild beherrschen.

Auch an anderen Orten hat der Trend zum hippen Berlin seinen Zenit erreicht, Teile von Kreuzberg, Mitte und Friedrichshain verlieren junge Erwachsene. In anderen Stadtteilen innerhalb des S-Bahn-Rings schrumpft sogar die Gesamtzahl der Einwohner: Charlottenburg droht laut der Hochrechnung prozentual sogar der größte Bevölkerungsschwund in ganz Berlin, auch im Norden Schönebergs werden weniger Menschen leben als 2011.

2030 soll Berlin einen Altersdurchschnitt von 44,2 Jahren erreichen. Mehr als 800.000 Berliner sollen dann älter als 65 Jahre sein – das entspricht fast 23 Prozent der Berliner Bevölkerung. Auch die Zahl der 100-Jährigen soll sich bis 2030 mehr als verdoppeln. Schon heute wohnen mehr als 1500 Menschen in Berlin, die geboren wurden, als ein Kaiser Deutschland regierte und die über 50 Jahre alt waren, als der erste Mensch den Mond betrat – Leute wie Anni Hankel, Jutta Maltusch und Schwester Elli. In den Videos erzählen sie, wie es ist, schon mehr als ein Jahrhundert erlebt zu haben.

Hören Sie sich die Geschichten der 100-Jährigen an:

Innerhalb der nächsten 15 Jahre wird die Generation 99 plus um mehr als 56 Prozent wachsen. Die meisten von ihnen werden dann laut Prognose in Lichterfelde West und Charlottenburg leben. Die Ausnahme werden sie aber auch dann bleiben: Insgesamt nur knapp 4000 Berliner sollen bis 2030 älter als 99 Jahre werden.

Interview

Demografie-Experte Klemens Maget spricht über das alte Berlin der Zukunft, Baby-Boomer und Zuwanderung als letzte Chance:

Herr Maget, Berlin soll in Zukunft immer älter werden. Woran liegt das?

Da sind vor allem zwei Faktoren bestimmend: Die Lebenserwartung steigt und die Geburtenrate sinkt. Dazu kommt noch die Generation der Baby-Boomer, die jetzt ins höhere Alter kommt und den Schnitt nach oben zieht.

Ist Berlin also bald eine Stadt der Greise?

Berlin wird in Zukunft die deutsche Stadt sein, in der, in absoluten Zahlen, die meisten Alten leben werden. Die Anzahl der Älteren wird bis 2030 deutlich ansteigen. Bei den über 80-Jährigen sogar um 80 Prozent. Berlin profitiert aber vor allem von der Zuwanderung jüngerer Leute. Eine wirklich alte Bevölkerung findet man eher in Brandenburg.

Wird diese Zuwanderung den Alterungsprozess der Stadt aufhalten?

Ganz aufhalten lässt sich dieser Prozess nicht mehr. Zugewanderte werden ja auch älter. Die Zuwanderung kann die Alterung nur verlangsamen.

Was bedeutet diese veränderte Altersstruktur für die Zukunft der Stadt?

Berlin muss in Zukunft dafür sorgen, dass eine funktionierende Infrastruktur für diese alternde Bevölkerung bereit steht – Pflegeheime oder auch Barrierefreiheit im öffentlichen Raum. Gerade in Sachen Mobilität und Nahverkehr muss die Stadt noch einiges tun. Da sind andere Städte, wie beispielsweise München, schon weiter. Außerdem muss Berlin versuchen, als Wirtschaftsstandpunkt attraktiv zu bleiben, damit auch in Zukunft noch junge Menschen in die Stadt ziehen, um hier zu arbeiten oder eine Familie zu gründen. Auch der Fachkräftemangel muss politisch angegangen werden.

Und wenn das nicht gelingt?

Dann würde die Stadt in Zukunft stärker altern als angenommen.

Kurz gesagt: Das Image der jungen, kreativen Stadt wird Berlin in Zukunft nicht halten können, oder?

Berlin wird auch in Zukunft relativ jung bleiben. Die Altersstruktur ist in den Berliner Bezirken allerdings sehr unterschiedlich. Innerhalb des S-Bahn-Rings kann man schon von einer jungen, hippen Stadt sprechen. Das wird sich auch in den nächsten 15 Jahren nicht ändern. Dort ist ja auch der Wohnungsmarkt sehr unter Druck. Da ziehen die Leute hin. In Steglitz-Zehlendorf oder Hohenschönhausen sieht es dagegen komplett anders aus. Dort prägen schon jetzt ältere Menschen das Straßenbild. Das wird sich wahrscheinlich in Zukunft noch verstärken.

 

Klemens Maget ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung.

AutorInnen: Max Dinkelaker, Martin Nejezchleba, Timo Nicolas und Gesa Steege
Quelle: Bevölkerungsprognose für Berlin und die Bezirke 2011 - 2030

Hinweis: Bereits zwei Jahre nach Veröffentlichung der Prognose war klar, dass der Zuzug nach Berlin etwas höher ausfällt, als erwartet. Um den abweichenden Entwicklungen in den Stadtteilen gerecht zu werden, arbeitet die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt derzeit an einer aktualisierten Bevölkerungsprognose.

 

Dieser Artikel enstand im Rahmen des Projekts SowirdBerlin von Volontären der Evangelischen Journalistenschule.

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