Urbanisierung der Industrie dank Digitalisierung

Das verarbeitende Gewerbe ist in den vergangenen Jahren aus den Großstädten in ländliche Regionen abgewandert. Mit der Digitalisierung könnten die Städte jetzt wieder attraktiver werden für die Industrie, wie eine aktuelle Studie zeigt.

Demnach wurden in Deutschland zwischen 2012 und 2016 in großen Metropolen im Durchschnitt um 40 Prozent häufiger Unternehmen gegründet als in anderen Teilen des Landes. Um diesen Trend zu fördern, sei auch die Politik gefragt: Die Zuflüsse von Risikokapital, Wissen, Fachkräften müssten gesichert und Flächenengpässe beseitigt werden. So heißt es in der von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie.

Von der Entwicklung profitierten besonders Berlin, München, das Rhein-Main-Gebiet, Leipzig und Dresden: Je 100.000 Industriebeschäftigte kamen in dem untersuchten Zeitraum in Berlin 230 hinzu, in München 105, im Rhein-Main-Gebiet 77, in Leipzig und Dresden 76, an Rhein und Ruhr 66 und in Hamburg 63. Der bundesweite Durchschnitt lag bei 58.

Als Grund für die Rückkehr in die Städte nennen die Autoren die dortige Nähe zu Forschungseinrichtungen und Kunden – und neue Technologien: Datengetriebene Steuerungsprozesse und sensorgesteuerte Roboter ermöglichten eine schnellere und kleinteiligere Produktion, beispielsweise einen Turnschuh nach Wunsch der Kundin unmittelbar vor deren Augen zu fertigen.

„Wir haben eine lange Zeit der Massenproduktion hinter uns, mit einem großen Bedarf an Flächen. Dementsprechend ist die Industrie aus den Städten gegangen“, erklärt Martin Gornig vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), der die Studie mit Axel Werwatz von der Technischen Universität (TU) Berlin verfasste. „Wenn wir aber mit digitaler Technik in der Lage sind, Kleinserien zu produzieren, dann wird es zu einem Wettbewerbsvorteil, nah am Kunden zu sein.“

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Wie wichtig die Nähe zu Forschungseinrichtungen ist, zeigen die Forschenden am Beispiel Berlin: Die höchste Zahl an Gründungen im Bereich Hightech findet sich im Bezirk Charlottenburg – Standort des Hauptcampus der TU. Auch Adlershof im Südosten Berlins zählt zu den bevorzugten Gründungsstandorten, dort liegen ein Campus der Humboldt-Universität und ein großes Technologiezentrum. Auf wenige Standorte konzentriert sind auch Gründungen von sogenannten Lowtech-Industrien, die häufig Konsumprodukte oder Nahrungsmittel herstellen. Insgesamt werden in der Hauptstadt im Schnitt viermal so viele Hightech- und sogar fünfmal so viele Lowtech-Industrieunternehmen gegründet wie in Regionen außerhalb von Metropolen.

„Die Standortmuster der Industrie justieren sich neu“, schreiben Gornig und Werwatz. Allerdings müsse dabei auch die Politik die richtigen Weichen stellen und sowohl Startups als auch etablierte Unternehmen besser unterstützen – indem sie den Wissenstransfer fördert, Konflikte zwischen Wohnen und Gewerbe löst, Risikokapital beschafft, Fachkräfte im In- und Ausland anwirbt.

27.11.2018