Diversity in der Bundeswehr

Ein Expertenbeitrag von Dr. Dominik Wullers, Deutscher Soldat e.V.

Eines der derzeit vordringlichsten Themen für die Bundeswehr ist weder Syrien, noch Russland, noch Rüstung - es ist Diversity. Angesichts der aufgezählten und vieler weiterer Konflikte und Herausforderungen, man denke nur an Cyberbedrohungen, eine unverständliche Priorisierung für viele Sicherheitsexperten.

In der Tat lästerte etwa im Januar 2017 Rainer Arnold, damals noch verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, dass Ursula von der Leyen „randständige Workshops“ - gemeint war ein Seminar zu sexueller Vielfalt in der Bundeswehr - veranstalte, "statt sich um die Alltagsprobleme der Soldaten oder die Verzögerung von Rüstungsprojekten zu kümmern".

Dr. Dominik Wullers ist Mitgründer und stellvertretender Vorsitzender des Vereins Deutscher.Soldat., eines Bündnisses für Vielfalt in der deutschen Gesellschaft, dass Soldatinnen und Soldaten als Beispiel für gelungene Integration nutzt. Derzeit studiert er als McCloy-Fellow an der Harvard Kennedy School of Government. Zuvor war er 13 Jahre Offizier in der Bundeswehr.

Diese Lesart ist gerade unter alten Haudegen des Kalten Krieges verbreitet. Mehr Panzer müssen her, die Marine braucht neue Schiffe, russischer Cyberbedrohung muss die Stirn geboten werden. All diese richtigen und wichtigen Maßnahmen übersehen eins: sie wirken nur, wenn es Menschen gibt, Soldatinnen und Soldaten und zivile Angehörige der Bundeswehr, die sie umsetzen können.

Angesichts des demographischen und gesellschaftlichen Wandels ist daher Eile geboten. Über 20% der Bevölkerung hat einen Migrationshintergrund, bei Kindern deutlich mehr, Tendenz steigend. Frauen sind mittlerweile in allen Berufsfeldern vertreten und wollen Karriere machen. Gleichzeitig schreitet auch die sexuelle Liberalisierung weiter voran.

Um diese Realität zu berücksichtigen, hat Ursula von der Leyen ein Stabselement für "Chancengerechtigkeit, Vielfalt und Inklusion" einrichten lassen. Die Verbringung dieser Einheit in der Linie und in Bonn statt bei der Ministerin in Berlin hat einige Unterstützer der Maßnahme etwas verhalten reagieren lassen. Dennoch ist es ein Fortschritt für die Bundeswehr, dass das Ministerium nun strategisch über Vielfalt nachdenkt.

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Diese Einheit ist nun beauftragt, ein Konzept für ein strategisches Diversity Management zu erarbeiten. Eine Operation am schlagenden Herzen, denn bereits heute haben rund 16% der Soldatinnen und Soldaten nach einer Erhebung des Verteidigungsministeriums einen Migrationshintergrund, rund 12% des militärischen Personals sind Frauen und LGBTQ-Angehörige des Verteidigungsressorts haben sich bereits in einem eigenen Verband - AHSAB - organisiert.

Bereits getroffene Maßnahmen findet man zum Beispiel beim Zentrum Innere Führung der Bundeswehr, das sich um das Leitbild des Bürgers in Uniform und das Innere Gefüge der Streitkräfte kümmert, bereits seit einigen Jahren mehrere Ansprech- und Koordinierungsstellen für nicht-christliche Soldatinnen und Soldaten und interkulturelle Fragen. Auch die militärische Kaderschmiede, die Führungsakademie der Bundeswehr, integriert das Thema verstärkt. Insgesamt befindet sich die Bundeswehr aber noch am Anfang der Umsetzung strategischer Maßnahmen.

Es geht allerdings nicht nur um nackte Zahlen. Die Bundeswehr hat sich stets als Spiegel der Gesellschaft gesehen. Dieser Anspruch bedeutet, allen Deutschen gleichermaßen die Möglichkeit zu geben, ihrem Land zu dienen und so auch allen zu zeigen, dass die Bundeswehr nicht die Verteidigungsmacht der weißen, christlichen, heterosexuellen Elite, sondern aller Bürgerinnen und Bürger ist und die Rechte aller schützt.

Eine bedeutende Maßnahme ist dafür der internationale Austausch. Andere NATO-Partner haben bereits viel Erfahrung im Umgang im und der Integration von vielfältigsten Gruppen in ihre Streitkräfte, aber auch die Bundeswehr hat bemerkenswerte Fortschritte gemacht. Für das kommende Jahr hat Ursula von der Leyen daher bereits zum zweiten Mal die Schirmherrschaft über eine internationale Konferenz für den Austausch zu Diversity im Sicherheitssektor übernommen. Angesichts der vielen sicherheitspolitischen Herausforderungen Deutschlands sicher eine gute Investition ihrer Zeit.

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2018 - Arbeitswelten der Zukunft.