Flexible Arbeitszeiten – oft gewünscht, aber rechtlich machbar?

Ein Expertenbeitrag von Dr. Martin Nebeling, Partner bei Bird & Bird Morgens bereits E-Mails von Kunden oder Kollegen während der U-Bahn-Fahrt zum Arbeitsplatz über das Smartphone bearbeiten. Abends, nachdem die Kinder ins Bett gebracht sind, nochmals den Laptop hochfahren, um an der Präsentation für das morgige Meeting zu arbeiten. Oder das Sportprogramm zwischen Frühstücks- und Mittagspause einschieben. Die Lebensbedingungen und Bedürfnisse von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sind heute so unterschiedlich wie es Arten von Berufen gibt. Gerade sogenannte Knowledge Worker machen vor, wie flexible Arbeitszeitmodelle und zeitgemäße Arbeitsplatzgestaltung in einer digitalisierten Arbeitswelt aussehen können. So sind auch für 75 Prozent der Arbeitnehmenden flexible Arbeitszeitmodelle bei der Wahl des Arbeitsgebers wichtig oder gar sehr wichtig (vgl. hierzu: Marktforscher Respondi, 2016)

Dr. Martin Nebeling ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Anwaltskanzlei Bird & Bird. Er betreut deutsche und ausländische Mandanten in allen Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechtes, insbesondere im Zusammenhang mit umfangreichen geschäftlichen Transaktionen. Ebenso verfügt Dr. Nebeling über Erfahrungen im Bereich Sozialplan- und Tarifvertragsverhandlungen.

Bestehendes Arbeitszeitgesetz steht digitalem Arbeitsplatz entgegen

Aber auch Arbeitgeber wollen den Bedürfnissen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entgegenkommen. So ist mehr als jeder zweite Personaler bereits überzeugt, Mitarbeitenden eine flexible Arbeitsplatzgestaltung zu ermöglichen (vgl. hierzu: Kienbaum, „HR-Trendstudie" 2015).

Doch das derzeit in Deutschland bestehende Arbeitszeitgesetz (ArbZG) weist die Bedürfnisse von Arbeitgebern und Arbeitnehmenden oft in ihre Schranken. In der Regel darf die tägliche Arbeitszeit acht Stunden nicht übersteigen. Nur unter Umständen kann sie temporär auf bis zu zehn Stunden ausgeweitet werden, wobei wiederum die wöchentliche Arbeitszeit nicht mehr als 48 Stunden betragen darf. Außerdem, so das Gesetz weiter, muss zwischen Arbeitsende und -beginn eine ununterbrochene Mindestruhezeit von elf Stunden liegen. Doch mit diesen Pauschalregelungen berücksichtigt das Gesetz nicht die zunehmend verwischenden Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit sowie die zunehmend globalisierte (Arbeits-)Welt. Und je vernetzter und technisch mobiler die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind, desto weniger lässt sich eindeutig festlegen, wo Arbeitszeit beginnt und wo diese in Freizeit mündet.

Bei strenger Anwendung würde ein Arbeitnehmender in Konflikt mit dem ArbZG geraten: zum Beispiel, wenn er nach 23:00 Uhr eine geschäftliche E-Mail bearbeitet, müsste er mindestens eine Ruhepause bis 10:00 Uhr am Folgetag einhalten. Unterbricht er diese Pause, finge die elfstündige Ruhezeit erneut an zu laufen. Und mit Blick auf die gesetzlich verankerte tägliche Höchstarbeitszeit ist es auch nicht möglich, dass Beschäftigte etwa von Montag bis Mittwoch jeweils 12 Stunden am Stück arbeiten, um dann den Rest der Woche für private Belange zur freien Verfügung zu haben.

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Rechtliche Gestaltungsspielräume schaffen

Die Digitalisierung hat die Arbeitswelt verändert, somit müssen auch die rechtlichen Regelungen angepasst werden. Es sind also neue gesetzliche Rahmenbedingungen erforderlich, die es dem Arbeitgeber ermöglichen, die Ressource Arbeitszeit möglichst „smart“ zu gestalten. Dies kann sowohl durch die Umstellung von einer täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit als auch durch Anpassung der entsprechenden Ruhephasen für Arbeitnehmer erreicht werden. Natürlich wird es nicht DAS eine Arbeitszeitmodell geben können, das der digitalen Entwicklung und dem Wunsch nach Work-Life-Balance gleichermaßen gerecht wird. Doch zumindest muss der Gesetzgeber einen größeren rechtlichen Spielraum für Arbeitgeber und Arbeitnehmende schaffen.
 

Die hier veröffentlichten Inhalte und Meinungen der Autorinnen und Autoren entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung des Wissenschaftsjahres 2018 – Arbeitswelten der Zukunft. 

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