KI für die Gesellschaft

Ein Expertinnenbeitrag von Riccarda Retsch, wissenschaftliche Referentin, Geschäftsstelle des Rates für Nachhaltige Entwicklung

KI gestaltet die Gesellschaft um. Sie kann die Produktivität von Unternehmen steigern, effizientere Prozesse fördern und Kosten senken. Sie hat das Potenzial die Agenda 2030 voranzubringen, kann den Lebensstandard von Menschen verbessern und ihnen helfen fundierter Entscheidungen zu treffen. Mit KI-basierten Technologien und Monitoringsystemen können z. B. Staus vermieden und der Verkehr umweltfreundlicher gestaltet werden, die Energieeffizienz in Gebäuden erhöht und die Lebensmittelproduktion in der Landwirtschaft durch genaue Wetterprognosen, optimierte Lieferketten sowie den gezielteren Einsatz von Düngemitteln nachhaltiger ausgerichtet werden.

Riccarda Retsch ist wissenschaftliche Referentin in der Geschäftsstelle des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE) in Berlin und betreut dort die Themen Bildung und Forschung. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Digitalisierung, Umsetzung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) im Bildungsbereich und Bildung für nachhaltige Entwicklung. Vor ihrer Zeit beim Nachhaltigkeitsrat war Frau Retsch für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (GIZ) im Bereich der internationalen Klima- und Umweltpolitik tätig.

Gleichzeitig erzeugt KI Ängste und ethische, soziale und ökologische Bedenken. Aufgrund der Konzentration von KI-basierter Technologie, Fähigkeiten, Datensätzen und Rechenleistung in einigen wenigen Unternehmen und Nationen kann KI bestehende Ungleichheiten verstärken. Künstliche Intelligenz kann, die Privatsphäre der Menschen durch Datenmissbrauch beeinträchtigen und den absoluten Energie- und Ressourcenverbrauch steigern.

Eine KI-Entwicklung im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung ist demokratisch, umweltfreundlich und integrativ. Neben einem Austausch zwischen Politik, Wissenschaft und Wirtschaft, zeichnet sich eine solche nachhaltige KI-Entwicklung dadurch aus, die Expertise der Zivilgesellschaft einzuholen und zu berücksichtigen. Denn nur in einem fortlaufenden Zusammenspiel unterschiedlicher Perspektiven können Risiken neuer Technologien für die Gesellschaft und die Umwelt minimiert und ihre Chancen bestmöglich genutzt werden. KI wird auf UN-, OECD- und EU-Ebene, bei G7- und G20-Gipfeln sowie in eigens für das Thema eingerichteten Expertengruppen diskutiert. Immer mehr Nationalstaaten haben eigene KI-Strategien oder arbeiten daran. Bisher finden die politischen Gestaltungsprozesse jedoch weitgehend ohne Sachverständige aus der Zivilgesellschaft statt.

So auch in Deutschland. Der Erarbeitungs- und Konsultationsprozess zur nationalen KI-Strategie 2018 wurde von männlichen Vertretern aus Wissenschaft und Wirtschaft dominiert, wirtschaftliche Interessen standen im Vordergrund. Soziale, ökologische und ethische Fragen waren dagegen unterrepräsentiert. Die Expertise von digitalen und netzpolitischen Organisationen blieb aus. Ein weiteres Beispiel für fehlende zivilgesellschaftliche Teilhabe ist der im Herbst 2018 gegründete Digitalrat der Bundesregierung. Die Zivilgesellschaft ist in dem zehnköpfigen Gremium, bestehend aus Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft, nicht vertreten.

Auch wurden prominente Wissenschaftsformate, wie der jährlich stattfindende Forschungsgipfel, bisher nicht genutzt, um zu diskutieren, wie eine von der Gesellschaft getragene nachhaltigkeitsorientierte KI und Wissenschaft aussehen könnte. Ebenfalls stellt sich die Frage nach dem Ambitionsniveau für einen echten europäischen Dialog: Zwar wird die europäische Perspektive vielfach adressiert, jedoch ohne konkrete Ziele und Maßnahmen zu benennen.

Eine nachhaltigkeitsorientierte KI für die ganze Gesellschaft ist möglich. Neben den bestehenden staatlichen Förderungen von KI-Anwendungen für Umwelt und Klimaschutz im Rahmen der KI-Strategie, ist die Umsetzung der Strategie und themenverwandter Programme der Bundesregierung partizipativer zu gestalten.
Sie sollte von Beginn an von Beteiligungsformaten mit der Gesellschaft flankiert werden. Hierfür sollte ein festes Budget eingerichtet werden.
Parallel gilt es die Digital- und Technologiekompetenz aller Menschen zu stärken und dabei niemanden zurückzulassen, beispielsweise indem KI Eingang in Lehrpläne und generationenspezifische Weiterbildungsangebote findet. Darüber hinaus muss KI in Deutschland auf europäischen Werten basieren und neben nationalstaatlichen auch europäische Lösungen anbieten, um wettbewerbsfähig zu bleiben. So sollten deutsche Forschungsaktivitäten europäisch eingebettet sein und nationale Initiativen wie die Agentur für Sprunginnovationen stärker europäisch und mit Fokus auf einer nachhaltigen Entwicklung ausgerichtet werden. Auch sollten europäische Kooperationen zu KI ausgebaut und entschlossen finanziert werden. Die UN-Plattform „AI for Good“ mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft bietet hier einen guten Anknüpfungspunkt. Ziel der Plattform ist es KI-Anwendungen zu entwickeln, die auf die globalen Nachhaltigkeitsziele einzahlen.

KI gestaltet unsere Gesellschaft um – beteiligen wir sie daran, damit es ein positiver, nachhaltiger Wandel für alle wird.

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